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wsd:verhalten:themen:themenfeld5:d08

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Tic-Störungen F95

Zitiervorschlag: Urtimur, V. (2020). „Tic-Störungen“. Abgerufen von Url https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:werkzeug:verhalten:themen:themenfeld5:d08, CC BY-SA 4.0

ICD 10
bzw. 11

  • F95. Tic-Störungen: Ein Tic definiert sich durch eine unwillkürliche, rasche, wiederholte und nichtrhythmische Bewegung, die auf einmal einsetzt und keinem offenkundigen Zweck dient. Die Tics können sich bei persönlichen Belastungen verstärken und während des Schlafens verschwinden sie. Häufige einfache motorische Tics sind Blinzeln, Kopfwerfen, Schulterzucken und Grimassieren. Häufige einfache vokale Tics sind z.B. Räuspern, Bellen, Schnüffeln und Zischen. Komplexe Tics sind „Sich-selbst-schlagen“ sowie Springen und Hüpfen. Komplexe vokale Tics sind die Wiederholung bestimmter Wörter und manchmal der Gebrauch sozial unangebrachter, oft obszöner Wörter (Koprolalie) und die Wiederholung eigener Laute oder Wörter (Palilalie).
  • F95.0 Vorübergehende Tic-Störungen: Die allgemeinen Kriterien für eine Tic-Störung werden über einen Zeitraum von höchsten 12 Monaten erfüllt. Die Tics sind dabei häufig Blinzeln, Grimassieren oder Kopfschütteln.
  • F95.1 Chronische motorische oder vokale Tic-Störungen: Die allgemeinen Kriterien für eine Tic-Störung werden erfüllt und halten über 12 Monate an. Die motorischen oder vokalen Tics treten beide nicht zugleich, aber einzeln und meist multipel auf.
  • F95.2 Tourette-Syndrom (Komb. vokale und motorische Tics): Das Tourette-Syndrom stellt eine der Form der Tic-Störungen dar, bei der mehrere motorische Tics und mindestens ein vokaler Tic auftritt oder in der Vergangenheit vorgekommen ist. Während der Adoleszenz verschlechtern sich oftmals die Symptome, die bis in das Erwachsenenalter anhalten.

Statistik

  • Je nach Untersuchung geht man bei allen Tic-Formen von ungefähr 6,6% der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus
  • Beim Tourette-Syndrom liegt die Prävalenz bei circa 1% in Deutschland
  • Die Datenanalysen verdeutlichen darüber hinaus, dass das Tourette-Syndrom weltweit verbreitet ist und in nahezu allen Regionen mit gleicher klinischer Symptomatik auftritt
  • Nach Schätzungen treten bei etwa 10-15% aller Grundschüler zu irgendeinem Zeitpunkt Tic-Störungen auf
  • Das Tourette-Syndrom tritt in einem Geschlechterverhältnis von etwa 4:1 (Männer:Frauen) auf.

Ursachen und Risikofaktoren

  • In den meisten Fällen bleiben die Ursachen für die Tic-Störungen unklar.
  • Das Tourette-Syndroms ist bisher teilweise erforscht und es wird angenommen, dass eine Störung des Botenstoffwechsel im Gehirn dafür verantwortlich ist.
  • Ein Erkrankungsrisiko für das Tourette Syndrom bei Mädchen um 5% und bei Jungen um 10% erhöht ist.

Komorbidität
je nach Quelle

  • ADHS 60%
  • Zwangsstörungen 27%
  • Depressionen 20%
  • Angststörungen 18%
  • Autismus und Asperger-Syndrom 4%
  • Schlafstörungen 16%
  • Autoaggressives Verhalten 14%

Symptome

Motorische Tics:

a) Einfache motorische Tics:

  • Augenblinzeln
  • Augen-, Nasen- und Mundbewegungen
  • Grimassen
  • Kopfschleudern
  • Schulterziehen
  • Arm- und Handbewegungen
  • Bein-, Fuß- und Zehbewegungen

b) Komplexe motorische Tics:

  • Gesten oder Bewegungen des Kopfes, der Augen, des Mundes, der Schulter, der Arme und der Hände
  • Beugen oder sich winden
  • Rotieren um die eigene Achse
  • Selbstverletzendes Verhalten
  • Kopropraxie (zeigen unwillkürlicher, obszöner Gesten)
  • Echopraxie (imitieren bzw. Nachahmen von Tics)

Vokale Tics:

a) Einfache vokale Tics:

  • Husten
  • Schnupfen
  • Räuspern
  • Grunzen
  • Pfeifen
  • Tierlaute z.B. Vogellaute

b) Komplexe vokale Tics:

  • Sprechblockaden
  • Sprachfragmente
  • Koprolalie (ungewollte Aussprechen aggressiver oder obszöner Worte)
  • Echolalie (ein- oder mehrmalige zwanghaftes Nachsprechen von Wörtern oder Sätzen)
  • Palilalie (häufiges Wiederholen von selbstgesprochenen Worten)
  • Blockierungen
  • Atypische Sprachwendungen
  • Enthemmte Sprache

Intervention allgemein

Entspannende und belastende Tätigkeiten: In der Regel werden motorische und vokale Tics durch Angst, Stress, Müdigkeit oder Aufregungen verstärkt. Durch entspannende oder konzentrative Tätigkeiten können diese vorübergehend gemildert werden.


Umgang im Alltag: Tics und die damit verbunden Begleiterscheinungen regelmäßig zu thematisieren übt eher Druck auf die Betroffenen aus und ist kontraproduktiv. Das Verbieten von Tics oder das Loben einer „ticfreien“ Zeit führt daher nicht zu einer dauerhaften Veränderung. Ideal ist es möglichst wenig auf die verschiedenen Tics einzugehen.


Tics und andere Störungen: In Fällen, in denen eine Tic-Störung das Gesamtbild dominiert, kann es sein, dass die Tics erst nach anderen psychischen Störungen auftraten. In solchen Fällen ist es sinnvoll, sich auf die zuerst aufgetretene Störung zu konzentrieren.


Therapeutisches Vorgehen: Im Fokus stehen zunächst die Aufklärung und Beratung der Kinder- und Jugendlichen, der Bezugspersonen und die des weiteren Umfeldes. Die Abklärung der individuellen Situationen und der Behandlungsschritte sind ein wichtiger Bestandteil, um weitere verhaltenstherapeutischen Behandlungsformen aufzubauen.

Literatur

Trapmann, H.; Rotthaus, W. (2018). Auffälliges Verhalten im Kindesalter, Handbuch für Eltern und Erzieher Band 1. verlag modernes lernen.

Müller-Vahl, K. (2010). Tourette-Syndrom und andere Tic-Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, Berlin: MVW Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

Internetquellen:

https://www.icd-code.de/icd/code/F95.2.html [14.06.2020]

https://iv-ts.de/ticstoerungen-tourette-syndrom / [17.06.20]

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10972415/ [16.06.20]

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