Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wsd:verhalten:themen:themenfeld5:d12

< zur Übersicht

Cornelia-de-Lange-Syndrom Q87.1

Zitiervorschlag: Kopp, S. (2020). „Cornelia-de-Lange-Syndrom“. Abgerufen von Url https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:werkzeug:verhalten:themen:themenfeld5:d12, CC BY-SA 4.0

ICD 10
bzw. 11

  • Q 87.1 angeborene Fehlbildungssyndrome, die vorwiegend mit Kleinwuchs einhergehen (Cornelia-de-Lange-) Lange-I-Syndrom (CdLS)

Statistik

  • Die Angaben schwanken zwischen 1:10.000 und 1:60.000
  • Die Aussagen zur Häufigkeit sind noch nicht gesichert, da die genetische Ursache noch nicht vollständig geklärt ist.
  • CdLS kommt bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor.

Ursachen und Risikofaktoren

Das Cornelia-de-Lange-Syndrom gilt als genetisch bedingtes Dysmorphie-Syndrom mit multiplen angeborenen Fehlbildungen, das meist mit einer schweren geistigen Behinderung, Kleinwuchs und einer charakteristischen Physiognomie einhergeht.

Klassische Form

  • Mutation eines Genes auf Chromosom 5p bei ca. 50 bis 60% der Personen mit CdLS (NIPBL-Gen, Bande 5p13.1)
  • Bei diesen Fällen ist die Symptomatik am stärksten ausgeprägt.

Milde Ausprägungsform

  • Mutation eines Genes auf Chromosom 10p
  • Minderwuchs, intellektuelle Beeinträchtigungen und Gesichts-Dysmorphien

Mögliche Zusammenhänge zum Verhalten:

Biografische Entwicklung

  • Sozial oft wenig integriert
  • Wiederholte negative Lebensereignisse

Familiendynamik

  • Hohe Elternbelastung, Dauerstress möglich für gesamte Familie durch Interaktionsschwierigkeiten als auch Einschränkungen im Alltag
  • Selbstständigkeit stark eingeschränkt
  • Kommunikation erschwert, begünstigt inadäquates Verhalten
  • Überängstliche Eltern

Gesundheit

  • Siehe Körperfunktionen

Individuelle Voraussetzung

  • Ausdruck von Schmerz und Missbehagen nicht verständlich
  • gastroösophagealer Reflux ist gepaart mit außergewöhnlichen Körperbewegungen, Selbstverletzungen möglich
  • Fehlende kommunikative Ausdrucksmöglichkeiten führen auch zu inadäquatem Ausdruck bei Verzweiflung, Frustration, Reaktion auf Grenzsetzung, Überforderung durch Reize, unzureichende Stimulation

Komorbidität
je nach Quelle

  • Personen mit CdLS weisen eine erhöhte Prävalenz von stereotypen und selbstverletzenden Verhaltensweisen sowie Auffälligkeiten in Bezug auf Interaktion und Kommunikation auf.
  • Dies ist differentialdiagnostisch schwer von einer Autismus-Spektrum-Störung abzugrenzen.
  • Ebenso werden Fälle beschrieben, die einen selektiven Mutismus nahelegen.

Symptome/ Entwicklung Allgemeine Entwicklungsverzögerung aufgrund von Microzephalie und Minderwuchs:

  • Körperlich-motorische Entwicklung
  • Kognitive Entwicklung und Entwicklung adaptiver Fähigkeiten
  • Sprachliche und soziale Entwicklung

Körperfunktionen/Körperstrukturen

  • Anämie , Aspirationsneigung
  • Schwere Ernährungsstörung (Würgen, Erbrechen, Schluckprobleme, tlw. chronische Entzündung der Speiseröhre, gastrointestinale Fehlbildung, Reflux)
  • Herzdefekte, Augenprobleme, Zahnprobleme
  • Erhöhte Schmerzschwelle
  • Gliedmaßenfehlbildung (kleine Hände oder Füße, Verwachsungen)
  • Exzessive Körperbehaarung
  • Gesicht: lange Augenlider, dünne Lippen, prominentes Philtrum
  • Kognitive Fähigkeiten stark betroffen: schwere geistige Behinderung
  • Adaptive Fähigkeiten stark betroffen (Entwicklungsalter 18 Monate bis 11 Jahre)
  • Hörstörung: wird bei ca. 50% häufig übersehen
  • Beschrieben werden auch häufig Aufmerksamkeitsstörungen sowie Ängstlichkeit und oppositionelles Verhalten

Aktivitäten und Teilhabe
Kommunikation Soziale Interaktionen/Verhaltensweisen

  • Sprachliche Beeinträchtigung: Expressive Sprache mehr beeinträchtigt als rezeptive Sprache
  • Nonverbale Kommunikation häufig mit eigenen Gesten, aber Mimik/Gestik ist oft maskenhaft
  • Geringe soziale Kommunikationsbereitschaft  selektiver Mutismus ist möglich
  • Soziale Unreife und soziale Scheu beobachtbar bei spezifischer Verarbeitungsschwäche
  • Soziale Ängstlichkeit und Vermeidung sozialer Interaktion
  • Zwanghafte Verhaltensweisen
  • 70% zeigen selbstverletzendes Verhalten (Schlagen, Haare ausreißen, Beißen, Kratzen)

Selbstversorgung, Mobilität, Umgang mit Anforderungen und Aufgaben

  • Nur ca. die Hälfte können ohne Hilfen laufen und einfache Aufgaben ausführen
  • Nur ca. ein Drittel können selbständig essen
  • Nur ca. ein Drittel können sich selbständig anziehen, waschen und Toilettengang bewältigen

Intervention allgemein

Gute Frühförderung sorgte für signifikant besseren Entwicklungsverlauf.

Pädagogische Möglichkeiten für den Umgang mit auffälligem Verhalten

  • Förderung kommunikativen Verhaltens und der sprachlichen Entwicklung durch diverse Formen und Mittel der unterstützten Kommunikation und Sprachförderung  diagnostisch sensibel nach Auslöser suchen
  • Gute Hilfsmittelversorgung (Hörgerät, Brille, Talker etc.) sowie Methoden und Techniken der Bewegungsbildung und Positionierung (z.B. Erhöhung nach dem Essen)
  • Stärken gut erkennen und nutzen, beispielsweise im Bereich der visuellen Wahrnehmung und Speicherung und in der visuellen Kombination  gute Beobachtungsgabe und Merkfähigkeit: Fordernde Bildungsangebote ausgehend von Interessen, Nachahmen von Handlungen ermöglichen, Zeit geben für genaues Beobachten und Untersuchen von Gegenständen und aufmerksames Erkunden der Umgebung, tlw. sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen hilfreich, fachgerechte Diagnostik zwingend erforderlich, da selbstverletzendes Verhalten nicht nur aufgrund körperlicher Beschwerden auftritt sondern auch auf soziale Anforderungen zurückzuführen sind, Anpassung der Umwelt ist erforderlich, lerntheoretisch fundierte Angebote sind hilfreich, regelmäßige Abläufe und klare Regeln

Therapeutische Möglichkeiten

  • Logopädie (Schlucktherapie, tlw. Sprachtherapie)
  • Physiotherapie (Atemtherapie, Therapien nach Konzepten wie Bobath etc.)
  • Ergotherapie (Sensorische Integration)

Klinische Möglichkeiten

  • Medikamentöse Behandlung und Operationen
  • Orthopädische Behandlungen bzw. Hilfsmittelversorgung (z.B. Spreizhose, Hörgeräte, Brille)

Literatur
Sarimski, K. (2014). Entwicklungspsychologie genetischer Syndrome. Hogrefe.

< zur Übersicht

wsd/verhalten/themen/themenfeld5/d12.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/27 20:47 von Romina Rauner