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Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley
Zitiervorschlag: Stecher, M., Rauner, R. (2022). „Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley.“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathe:baddeley, CC BY-SA 4.0
Viele Studien, die sich mit dem Zusammenhang von Arbeitsgedächtnis und Schulerfolg beschäftigen zeigen, dass eine gute Arbeitsgedächtniskapazität mit besseren Lese- und Schreibleistungen, besseren mathematischen Fähigkeiten und einem besseren Sprachverständnis einhergeht (vgl. Titz & Karbach 2014).
Die Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses im Hinblick auf Mathematik
Im Folgenden wird auf Grundlage des Modells des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley erläutert, wie Informationen während ihrer komplexen kognitiven Verarbeitung kurzzeitig gespeichert, weiterverarbeitet und in Beziehung gesetzt werden und konkretisiert, welche Bedeutung dies für Bereich Mathematik hat.
Zitiervorschlag: Grafik „Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley“ von Albrecht, C. (2021) nach Motsch, H.-J. (2013). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathe:baddeley#arbeitsgedaechtnis_nach_baddeley, CC BY-SA 4.0
Bestandteile des Arbeitsgedächtnisses
Die zentrale Exekutive steuert die Aufmerksamkeitslenkung. Sie initiiert und koordiniert die Verarbeitungsprozesse, indem sie dem Kurzzeitgedächtnis, bestehend aus phonologischer Schleife, visuell-räumlichen Skizzenblock sowie episodischem Buffer, Informationen zuweist.
Das „Einscannen“ des Sprachmaterials (über die zentrale Exekutive) erfolgt gar nicht, verlangsamt oder ungenau bzw. unvollständig (z.B. wegen fehlender Aufmerksamkeit).
Die phonologische Schleife dient Speicherung und Verarbeitung (schrift-) sprachlicher Informationen. Sie besteht aus 2 Hilfssystemen, dem phonologischen Buffer und dem Rehearsal. Der phonologische Buffer hält die sprachlichen Informationen etwa 1-2 Sekunden aufrecht. Werden die Informationen über diese Zeitspanne hinaus benötigt, wird das zweite Subsystem, das Rehearsal, aktiv, welches die Informationen durch subvokalisches Artikulieren (stilles Sprechen) noch länger aufrechterhalten kann.
Bei einer eingeschränkten phonologischen Schleife fehlen Kapazitäten, sprachliche Informationen so lange aufrecht zu erhalten, dass ein Abgleich mit dem lexikalische Wissen, grammatischen Wissen, mathematischen Wissen oder Allgemeinwissen im Langzeitgedächtnis möglich ist.
Schneider & Küspert 2016 unterstreichen die Bedeutende Rolle des phonologischen Arbeitsgedächtnisses für den Erwerb von Mengen-Zahlen-Kompetenzen.
Ein Kind mit Schwierigkeiten in der phonologischen Kurzzeitspeicherung wird Unterschiede zwischen der eigenen (unvollständigen) Zählfolge und der durch Erwachsene vorgegebenen Zahlwortreihe ungleich schwerer erkennen und damit beim Aufbau numerischer Basisfertigkeiten benachteiligt sein.
Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder mit Schwierigkeiten im Arbeitsgedächtnis (vgl. Grube 2006; Thomas et al. 2006; Krajewski 2008 in Häsel-Weide et al 2017) Probleme bei der Automatisierung des Einspluseins und des Einmaleins haben und daher auf Abzählstrategien zurückgreifen.
Der visuell-räumliche Skizzenblock dient der kurzfristigen Speicherung und Verarbeitung visuell-räumlicher Informationen. Die Kapazität des visuell-räumlichen Skizzenblocks ist wie die der phonologischen Schleife begrenzt.
Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis korreliert stark mit mathematischen Fähigkeiten (vgl. Kiese-Himmel 2020).
Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis tritt im Bereich Mathematik insbesondere beim Umgang mit konkreten Mengen in den Vordergrund.
Krajewski und Schneider zeigen auf, dass die visuell-räumliche Komponente bereits im Kindergarten bedeutsamen Einfluss auf die Verknüpfung von Mengen und Zahlen hat (vgl. Krajewski & Scheider 2009). So kann ein Kind, das auf einen Blick beispielsweise deutlich mehr Informationen wahrnehmen und verarbeiten kann als ein anderes Kind, bedeutend leichter Mengen hinsichtlich ihrer Anzahl beurteilen und mit den dazugehörigen Zahlen verknüpfen. Es wäre somit vorstellbar, dass einem Kind mit schwachem visuellen Arbeitsgedächtnis der Vergleich zweier Mengen misslingt, da es das visuelle Abbild der ersten Menge nicht mehr verfügbar hat, sobald die zweite Menge ins Blickfeld kommt. Im Hinblick auf eine höhere Mengen-Zahlen-Kompetenz wäre zu vermuten, dass ein solches Kind besonders von (wenig komplexem) Veranschaulichungsmaterial profitiert, da der visuelle Eindruck der Anzahldarstellung dann während des Rechnens verfügbar gehalten wird. Darüber hinaus ist auch eine Versprachlichung mathematischer Inhalte für diese Kinder von besonderer Bedeutung (vgl. Schneider & Küspert 2016).
Während die beiden Hilfssysteme phonologische Schleife und visuell-räumlicher Skizzenblock modalitätsspezifisch (auditiv/visuell) arbeiten, repräsentiert der episodische Buffer ein multimodales Speichersystem, das sowohl phonologische als auch visuelle Informationen in Form von „Episoden“ speichert.
Das Kurzzeitgedächtnis (Gsm), bestehend aus phonologischer Schleife, visuell-räumlichen Skizzenblock und episodischem Buffer steht in einer ständigen Wechselwirkung mit dem Langzeitgedächtnis (Glr) und den darin gespeicherten Informationen (lexikalisches Wissen, grammatisches Wissen, mathematisches Wissen, Allgemeinwissen).
Ist bei einem Kind das phonologische Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt, werden die akustischen Informationen nur unvollständig ins Langzeitgedächtnis übertragen. Ist das Langzeitgedächtnis selbst beeinträchtigt, haben manche Kinder erhebliche Probleme damit, Inhalte präzise und schnell wieder abzurufen (vgl. Aktas 2012).
Ein Eintrag im Langzeitgedächtnis ist umso schneller abrufbar, umso besser dieser vernetzt und je ausführlicher die Informationen sind.
Schneider & Küspert 2016 stellen die Bedeutung des schnellen Abrufs numerischer Informationen aus dem Langzeitgedächtnis für Rechenleistungen heraus.
Durch das sogenannte Monitoring wird während des gesamten Verarbeitungsprozesses (im Abgleich zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis) überprüft, ob genügend Informationen im Langzeitgedächtnis vorhanden sind, um daraus eine Bedeutung generieren zu können.
Verfahren zur Überprüfung des Kurzzeitgedächtnisses (Gsm) und des Langzeitgedächtnisses (Glr) finden Sie unter: Verfahren zur Erhebung diagnostischer Daten im Bereich der Körperfunktionen.
Literatur
Baddeley, A. (2002). Human Memory. Theory and Practice. East Sussex: Psychology Press
Häsel-Weide, U. & Nührenbörger, M. et al (2017). Ablösung vom zählenden Rechnen. Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen. Seelze: Klett
Kiese-Himmel, C. (2020). Das Arbeitsgedächtnis – eine Bestandsaufnahme. In: Sprache-Stimme-Gehör 2/2020. Stuttgart: Thieme-Verlag. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-0899-6784
Krajewski, K. & Schneider, W. (2009). Exploring the impact of phonological awareness, visual-spatial working memory and preschool quantity-number competencies on mathematics achievement in elementary school. In: Journal of Experimental Child Psychology, 103
Motsch, H.-J. (2013). Grammatische Störungen - Basisartikel. In: Sprachförderung und Sprachtherapie 1/13. Dortmund: Verlag Modernes Lernen Schneider W. & Küspert P. et al. (2016). Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen. Paderborn: Schöningh-Verlag
Titz, C. & Karbach, J. (2014). Working memory and executive functions: Effects of training on academic abilities. Psychological Research. doi:10.1007/s00426-013-0537-1.
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg