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wsd:mathematik:blindheit

Auswirkungen von Blindheit auf das Mathematiklernen

Zitiervorschlag: Wahl, B. & Leuders, J. (2023). „Auswirkungen von Blindheit auf das Mathematiklernen.“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathematik:blindheit

Im Folgenden sind mögliche Auswirkungen von Blindheit auf das Mathematiklernen aufgeführt. Diese untergliedern sich in die Bereiche Zahlen und Operationen, Größen und Messen sowie Raum und Form:

Mögliche Auswirkungen auf den Bereich Zahlen und Operationen

  • Eingeschränkte/fehlende „Mathematische Umwelt“ aufgrund fehlender oder lückenhafter visueller Eindrücke
  • Taktiles Zählen erfolgt sukzessive und muss strukturiert und organisiert werden
  • Auditive Mengen sind flüchtig und nur begrenzt simultan zu erfassen
  • Anschauungsmaterial kann (je nach Komplexität) eine Barriere darstellen (Orientierung und Erfassung des Materials brauchen Zeit und kognitive Ressourcen; Handling mit Material muss erarbeitet werden)
  • Schriftliche Rechenverfahren sind in Braille komplexer durchzuführen und im Alltag weit weniger nützlich
  • Ausschließlich lineare Darstellung von mathematischen Termen in Brailleschrift/LateX (z.B. Brüche):\frac{1}{2} *x +x^2 +2 entspricht dem Term 1/2∙x+x2 +2

Mögliche Auswirkungen auf den Bereich Größen und Messen

  • Entwicklung von Stützpunktvorstellungen ist erschwert durch geringere Vorerfahrungen aus dem Alltag
  • Erfahrungen mit sehr großen/sehr kleinen Objekten fehlen
  • Erfahrungen im Alltag mit Messgeräten und Maßen ist eingeschränkt
  • Umgang mit Messgeräten ist motorisch komplex
  • Alltägliche Messgeräte sind nicht barrierefrei

Mögliche Auswirkungen auf den Bereich Raum und Form

  • Raumwahrnehmung ist verändert, da Räume über den Fernsinn Hören nur begrenzt wahrgenommen werden und Tasten sukzessive erfolgt
  • Dreidimensionalität und Perspektive ist schwer zugänglich
  • Objekterkennung über das Tasten erfolgt über andere Merkmale als die räumliche Struktur (Textur, Temperatur, auffällige Merkmale wie Spitzen oder Löcher)
  • Erfassung der räumlichen Struktur ist komplexer als über das Sehen
  • Tasterfahrung muss gezielt auf die wesentlichen Aspekte (z.B. Ecken…) gelenkt werden, haptische Qualität des Modells/der Abbildung ist für die Objekterkennung z.B. eines geometrischen Körpers nicht relevant
  • Skizzen und Zeichnungen müssen taktil (als Modell oder taktile Zeichnung) ausgegeben werden, dies erfordert eine hohe Abstraktionsfähigkeit für blinde Menschen
  • Umgang mit Zirkel, Stift, Linealen, Winkelmessern, Geodreieck erfordert viel Zeit und ist für die Handmotorik und Orientierung im Handtastraum sehr anspruchsvoll
  • Zeichengenauigkeit bzw. Messgenauigkeit ist bis 0,5 cm möglich

Literatur

Brailleschriftkomitee der deutschsprachigen Länder BSKDL (2015). Das System der Mathematikschrift in der Deutschen Brailleschrift. Abrufbar unter: http://www.bskdl.org/download/mathematik/Mathematik%20Braillezeile%20UBP%20mit%20Grafiken.pdf

Krombach, M. (2003). Schriftliche Rechenverfahren bei blinden und hochgradig sehbehinderten Grundschülern als Anregung zum Umgang mit taktilen Medien. Abrufbar unter http://www.braille.ch/rechnen.htm

Lang, M., & Leuders, J. (2020). Mathe inklusiv mit PIKAS – Förderschwerpunkt Sehen. Abrufbar unter pikas-mi.dzlm.de/förderschwerpunkte/sehen

Leuders, J., & Lang, M. (2022). Grundlagen des Mathematikunterrichts. In M. Lang & U. Hofer (Hrsg.), Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern. Band 2: Fachdidaktiken (S. 77–114). Kohlhammer

Leuders, J. (2016). Inklusives Mathematiklernen bei Sehbeeinträchtigung und Blindheit – Herausforderungen und Konzepte. In A. S. Steinweg (Hrsg.), Inklusiver Mathematikunterricht – Mathematiklernen in ausgewählten Förderschwerpunkten: Tagungsband des AK Grundschule in der GDM 2016 (S. 41–56). University of Bamberg Press. Abrufbar unter https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/41146

Leuders, J. (2012). Förderung des Zahlbegriffsentwicklung bei sehenden und blinden Kindern. Empirische Grundlagen und didaktische Aspekte. Springer-Verlag: Wiesbaden

Petz, V. (2013). Das Visuelle Funktionsprofil. Konzeption eines Verfahrens zur Ermittlung kindlicher Sehbedingungen auf Basis der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen (ICF-CY); Dissertation, TU Dortmund, 2013. Abrufbar unter https://eldorado.tu-dortmund.de/handle/2003/30409


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/mathematik/blindheit.txt · Zuletzt geändert: 2023/04/17 13:27 von Romina Rauner