Entwicklung der zeichnerischen Kompetenzen
Zeichnen ist ein wesentlicher Bestandteil des Spielens von Kindern und hat eine bedeutsame Rolle in den ersten Lebensjahren. Knapp die Hälfte der Zeit in Kindergarten und Grundschule verbringen die Kinder mit Zeichnen. Auch in späteren Jahren ist zeichnerisches Gestalten eine attraktive und angemessene Ausdrucksform, die auch in verschiedenen Formen in der Jugendkultur verankert ist (z.B. Graffiti, Comics).
Entwicklungsaspekte
Alle Kinder durchlaufen dieselben Phasen der zeichnerischen Entwicklung. Allerdings verläuft diese je nach Kompetenzen in unterschiedlichem Tempo und wird nicht immer vollständig abgeschlossen. Mit dem zweiten Lebensjahr beginnt die Zeichenentwicklung, welche im Wesentlichen mit dem 10. Lebensjahr beendet ist. Danach ist das Zeichnen und Gestalten geprägt von unterschiedlichen Denkstilen und Einflüssen der Jugendkultur und des generellen Umfelds.
- Kritzelphase (ab ca. 2. Lebensjahr): hier steht die Funktion der Werkzeuge im Vordergrund. Das Kind kritzelt ohne etwas abbilden zu wollen, es folgt seinem Drang nach motorische Handlung.
- Schemaphase (bis etwas 5. Lebensjahr): einfache graphische Elemente werden abgebildet (Punkt, Striche, Wellen, Schraffuren, Dreiecke, runde Formen…).
- Sinnzeichnen (vorschul-, frühes Schulalter): diese graphischen Grundelemente werden nun kombiniert und variieren, so dass das Kind bewusst Motive zeichnet. Die Umwelt wird abgebildet, Raumorientierung und Relationen werden relevant. Dabei ist die Phase gekennzeichnet durch hohe Originalität. Das Kind orientiert sich an seinen mentalen Repräsentationen und nicht an der sichtbaren Realität, zudem sind Größendimensionen nicht realistisch. Größe spiegelt häufig die erlebte Bedeutung wieder.
- Naturalistische Darstellungen, Karikaturen und Comics gelingen frühestens ab dem 8. Lebensjahr. Außerdem werden dann auch zunehmend Perspektive und Tiefendarstellungen verwendet. Der Phasenwechsel zum realitätsgetreuen Zeichen ist teilweise mit Frustration verbunden. Dies wiederum kann zeitweise zu erneutem Auftreten von herausforderndem Verhalten führen bzw. die Motivation zum Zeichnen eindämmen.
Bemerkenswert ist zudem, dass
- mit jeder neuen Entwicklungsstufe eine zunehmende Individualisierung der zeichnerischen Ausdrucksformen und Umsetzungen zu beobachten ist.
- Messung der Intelligenz nicht möglich ist, aber unter Umständen Entwicklungsrückstände bzw. Hochbegabungen erkennbar (Entwicklungsalter ungleich Lebensalter) sind. Dies muss psychologisch gestützt sein.
- die Entwicklung von zeichnerischen Kompetenzen maßgeblich abhängig von Anregungen und Förderungen, Vorbildern in der Familie sowie von Talent, Motivation, Fähigkeiten und Intelligenz ist.
- Zeichnungen kulturabhängig sind.
- Zeichnungen mentale Repräsentationen abbilden (innere und mentale Vorstellungen der Umwelt).
- Zeichnen der Entwicklung etlicher Funktions- und Aktivitätsbereiche dient.
Funktionen des Zeichnens
- Nachahmungsfunktion: Inhalt steht noch nicht im Vordergrund, Hantieren mit Zeichenwerkzeugen und Planung des Vorgangs sind wesentlich und werden vom Gegenüber nachgeahmt.
- Abbildungsfunktion: Wirklichkeit durch Zeichnen möglichst genau erfassen, noch keine tiefere Bedeutung erkennbar, Motivauswahl kann noch zufällig sein
- Kommunikationsfunktion: Zeichnungen drücken eindrücklicher innere Befindlichkeit aus (z.B. Schmerz), das Kind oder der Jugendliche tritt über seine Zeichnungen in Beziehung mit der Umwelt, sucht eine Form des Dialogs
- Ausdrucks- und Symbolfunktion: Motive, Farben und Gestaltungselemente sind bedeutsam und nicht zufällig. Dies geschieht nicht immer bewusst. Diese Annahme nutzen projektive Tests.
Des Weiteren sind folgende Funktionen beobachtbar:
- Externalisierungen einschneidender Erfahrungen in einem geschützten Rahmen
- Generelles Ausdrücken von Gefühlen und Erlebnissen
- Entdecken eigener Ressourcen und Talente
- Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse möglich
- Steigerung des Selbstwertgefühls durch Identifikation mit starken Rollen
- Für Jugendliche und Erwachsene bietet das Zeichnen eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Entspannung und Erholung von hohen kognitiven alltäglichen Anforderungen.