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CHC-Modell nach Cattell, Horn und Carroll
Zitiervorschlag: Stecher, M., Brandstetter, R. (2024). „CHC-Modell nach Cattell, Horn und Carroll“. Abgerufen von URL:https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:diagn_methoden_koerperfunktionen:chc|, CC BY-SA 4.0
Das CHC-Modell ist ein mehrstufiges, hierarchisches Intelligenz-Modell. Auf drei hierarchisch angeordneten Ebenen oder Schichten werden der g-Faktor (allgemeine Intelligenz; Schicht 3), 10 „breite“ Fähigkeitsbereiche (Schicht 2) und 73 „enge“ Fähigkeitsbereiche (Schicht 1), die eine Differenzierung der Schicht-2-Faktoren darstellen, beschrieben. Konkrete Beschreibungen der einzelnen Schicht-2-Faktoren, die in WSD zur Kategorisierung der mentalen Funktionen herangezogen werden, finden Sie im Anschluss an die folgende Grafik.
Zitiervorschlag: Grafik „CHC-Modell nach Cattell, Horn und Carroll“ von Albrecht, C. (2024) Renner, G. & Mickley, M. (2010). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:diagn_methoden_koerperfunktionen:start, CC BY-SA 4.0
Beschreibungen der einzelnen Schicht-2-Faktoren
Fluide Intelligenz (Gf): Schlussfolgerndes und logisches Denken bei neuen Aufgabenstellungen, die nicht allein durch automatisierten Abruf von erworbenem Wissen gelöst werden können. Hierzu gehören unter anderem Begriffsbildung, Klassifizierungsprozesse, die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen und das Erkennen von Regeln. Induktives und deduktives Schlussfolgern zählen zu den typischen Vertretern fluiden Denkens. Die exekutiven Funktionen - verstanden als Sammelbegriff für Mechanismen der Kontrolle und der Regulation - werden trotz der bestehenden Bezüge zu Gsm ebenfalls Gf zugeordnet.
Kristalline Intelligenz (Gc): Umfang des erworbenen, kulturbezogenen Wissens, z.B. lexikalisches Wissen, grammatisches Wissen, Sprachverständnis und Kenntnisse in kulturrelevanten Wissensgebieten und die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden.
Kurzzeitgedächtnis (Gsm): Fähigkeit zum unmittelbaren Aufnehmen, Behalten und Bearbeiten einer begrenzten Anzahl neuer Informationen.
Visuelle Verarbeitung (Gv): Fähigkeit zur Wahrnehmung, Analyse, Synthese und Manipulation visueller Muster und Reize und deren Beziehungen.
Auditive Verarbeitung (Ga): Fähigkeit, auditive Reize wahrzunehmen, zu analysieren, zu unterscheiden und kognitive Manipulationen mit ihnen vorzunehmen. Ga schließt nicht das Sprachverständnis ein, das der kristallinen Intelligenz (Gc) zugeordnet ist. Auf Schicht 1 werden 14 Faktoren unterschieden, z.B. die Phonetische Kodierungs-Analyse oder die Lokalisierung von Geräuschen.
Langzeitspeicherung und -abruf (Glr): Fähigkeit, Informationen langfristig abzuspeichern und erfolgreich abzurufen. Hierzu gehören unter anderem semantische und lexikalische Wortflüssigkeit, Lernen von Wortlisten, Paarassoziationslernen. Im Gegensatz zu Gc geht es hier nicht um den Umfang des bereits erworbenen Wissens, sondern um die Effizienz der Speicherung und des Abrufs aus dem Langzeitgedächtnis.
Verarbeitungsgeschwindigkeit (Gs): Fähigkeit, kognitive Prozesse schnell, flüssig und automatisiert auszuführen. Gs wird typischerweise mit Aufgaben erfasst, die weniger komplexe kognitive Leistungen unter Zeitdruck verlangen. Auf Schicht 1 finden sich fünf Faktoren, z. B. Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Semantische Verarbeitungsgeschwindigkeit, Geschwindigkeit der einfachen Zahlenverarbeitung.
Reaktionsgeschwindigkeit (Gt): Fähigkeit, auf elementare Aufgabenstellungen schnell zu reagieren (z.B. einfache Reaktionszeit, Wahlreaktionszeit). Gt bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der unmittelbar auf einen Reiz oder eine einfache Entscheidungsaufgabe reagiert wird (Sekunden oder Sekundenbruchteile), während Gs erfasst, ob eine Person eine einfache Aufgabe über relativ längere Zeit (i. d. R. mehrere Minuten) zügig bearbeiten kann. Schicht 1 umfasst die drei Faktoren Einfache Reaktionszeit, Wahlreaktionszeit und Geschwindigkeit bei mentalen Vergleichen.
Quantitatives Wissen (Gq): Umfang und Tiefe des Wissens im Bereich von Zahlen und elementarer Mathematik. Hervorzuheben ist, dass hiermit das Wissen einer Person in diesem Bereich gemeint ist, nicht ihre Fähigkeit zum mathematischen Schlussfolgern, die der fluiden Intelligenz (Gf) zugeordnet wird.
Lese- und Schreibfertigkeiten (Grw): Wissen und Fertigkeiten im Bereich Lesen und Schreiben, unter anderem Leseflüssigkeit, orthografische Kenntnisse und Textverständnis.
Übertragbarkeit des CHC-Modells auf das Vorschulalter
Bezüglich der Übertragbarkeit des CHC-Modells auf das Vorschulalter ist Folgendes zu beachten (vgl. Renner und Mickley 2010):
- Eine auf der Cattell-Horn-Carroll-Intelligenztheorie aufbauende verfahrensübergreifende Testdiagnostik (Cross-battery-assessment) erlaubt auch im Vorschulalter eine systematische Beschreibung kognitiver Fähigkeiten
- Mittlerweile gibt es zunehmende, allerdings nicht durchgehend eindeutige empirische Evidenz, dass auch für Kinder unter sechs Jahren die Anwendbarkeit des CHC-Modells, insbesondere für die Schicht-II-Faktoren Fluide Intelligenz, Kristalline Intelligenz, Kurzzeitgedächtnis, Auditive Verarbeitung und Visuelle Verarbeitung angenommen werden kann.
- Die Übertragbarkeit des CHC-Modells auf das Vorschulalter bedarf noch weiterer empirischer Absicherung. Zuordnungen von Testverfahren zu CHC-Faktoren haben sich zum Teil als entwicklungsabhängig gezeigt, entsprechende Daten liegen zum jetzigen Zeitpunkt nur für wenige Verfahren vor.
Literatur
Renner, G. & Mickley, M. (2010). Intelligenztheorie für die Praxis: Auswahl, Anwendung und Interpretation deutschsprachiger Testverfahren für Kinder und Jugendliche auf Grundlage der CHC-Theorie. Klinische Diagnostik und Evaluation, 3, 447-466.
Renner, G. & Scholz, M. (2022). Fair oder nicht fair, das ist hier die Frage!. Die Sicherung der Testfairness als Aufgabe der sonderpädagogischen Diagnostik. In: Gebhardt, M. & Scheer D. et al (Hrsg.). Handbuch der sonderpädagogischen Diagnostik. Grundlagen und Konzepte der Statusdiagnostik, Prozessdiagnostik und Förderplanung.
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg