(Selbst)-Reflexion, reflexive Fähigkeiten
Zitiervorschlag: Gingelmaier, S., Brandstetter, R. (2022). „(Selbst)-Reflexion, reflexive Fähigkeiten“. Abgerufen von URL https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:verhalten:theorien_verhalten:reflexion, CC BY-SA 4.0
Kurzbeschreibung | Aufschnaiter, Fraij, & Kost, D. (2019) definieren Reflexion in Bezug auf Schule und Pädagogik wie folgt: Reflexion ist ein Prozess des strukturierten Analysierens, in dessen Rahmen zwischen den eigenen Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen/Überzeugungen und/ oder Bereitschaften und dem eigenen, situationsspezifischen Denken und Verhalten (z.B. bei der Betrachtung einer Situation, der Bearbeitung einer Aufgabe oder als Schüler:in/Lehrkraft/Dozent:in im Unterricht/Seminar) eine Beziehung hergestellt wird, mit dem Ziel, die eigenen Kenntnisse, Einstellungen … und/oder das eigene Denken und Verhalten (weiter) zu entwickeln. Reflexion als ein höherer Denkprozess erfolgt demnach nicht zweckfrei, sondern zielgerichtet. Die Zielrichtung der Reflexion kann dabei external und/oder internal ausgerichtet sein. Bei einer externalen Zielrichtung ist in eine Reflexion „in situ“ im Sinne einer „reflection in action“ und in eine der Situation nachgeschaltete Variante des Nachdenkens für künftiges Handeln zu unterscheiden. Die internalen Formen des Nachdenkens beziehen sich in ihrer Zielgerichtetheit auf die individuelle Weiterentwicklung des reflektierenden Subjekts. |
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Wie kann die Theorie beim Erklären von Verhalten helfen? | Auch wenn im Kontext von schwierigem Verhalten und psychosozialer Belastung sicherlich einige Aspekte - z.B. Risikofaktoren und biografische Parameter - hinzukommen und es sich in diesem Zusammenhang lohnt, unbewusste Formen der Musterbildung durch das diagnostische Mittel von Übertragung und Gegenübertragung zu integrieren, trägt diese Definition von pädagogischer Reflexion recht weit. Zum einen ist eine adaptive Reflexionsfähigkeit von Pädagog:innen mit einem höheren Maß an Gesunderhaltung verknüpft (Reinfelder, Jahn, & Gingelmaier, 2019), zum anderen können gelingende Reflexionsprozesse schwierigem oder unverständlichem Schüler:innenverhalten Sinn verleihen, was eine Lockerung von festgefahrenen Prozessen und das Aufscheinen neuer pädagogischer Entwicklungsräume (schulisch und sozial-emotional) bedeuten kann (Behringer, 2021). |
Grenzen | Reflexion bedeutet beobachtbares Verhalten interpretativ mit inneren und äußeren Prozessen zu verbinden. Eine interpretative Reflexion solcher Prozesse bleibt jedoch immer subjektiv und muss deswegen in ihren Annahmen veränderbar sein. Auch hier gilt, dass Reflexion sowohl nicht-institutionalisiert (also lose und spontan) wie auch institutionalisiert (das heißt z. B. in festen Settings, mit oder/ohne Leitung, mit/oder ohne Kosten) sein kann. Trotzdem bedarf sie immer eines Mindestmaßes an Zeit und der eigenen (mitunter schmerzlichen) Offenheit, sich auf Prozesse in die man involviert ist, einzulassen und sich dabei selbst zu hinterfragen. |
Diagnostische Fragen im Zusammenhang mit der Theorie | In Reflexionsprozessen kann folgenden Fragen systematisch nachgegangen werden: - Wie und wo können Reflexionsräume geschaffen und institutionalisiert werden? - Wozu dient das Verhalten eines Schülers/ einer Schülerin bzw. einer Klasse situativ, phasenspezifisch, biografisch und systemisch? - Wie kann eine über Reflexion gewonnene Erkenntnis/Einsicht meine pädagogische Interaktion und Intervention (über eine veränderte Haltung) positiv modellieren? |
Konkrete diagnostische Methoden im Zusammenhang mit der Theorie | s. Diagnostische Fragen im Zusammenhang mit der Theorie |
Impulse für die Gestaltung individueller Bildungsangebote | s. Diagnostische Fragen im Zusammenhang mit der Theorie |
Weiterführende Informationen | https://www.dgsv.de |
Literatur
Aufschnaiter, C. v., Fraij, A., & Kost, D., (2019). Reflexion und Reflexivität in der Lehrerbildung. Herausforderung Lehrer:innenbildung, 2 (1), 144–159. https://doi.org/10.4119/UNIBI/hlz-144
Behringer, N. (2021). Mentalisieren in der Heimerziehung. Eine qualitative Untersuchung zu reflexiven Prozessen bei pädagogischen Fachkräften. Wiesbaden: Springer VS
Reinfelder, E., Jahn, R.-M., & Gingelmaier S. (Hrsg.). (2019). Supervision und psychische Gesundheit - Gruppe und Individuum im Spiegel des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Wiesbaden: Springer Psychologie.
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg