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wsd:verhalten:themen:themenfeld4:kategorie3:be07

Allgemeine Hinweise zur Gestaltung situativen Handelns

Zitiervorschlag: Härle, V., Witt, N. (2020). Allgemeine Hinweise zur Gestaltung situativen Handelns. Abgerufen von https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:werkzeug:verhalten:themen:themenfeld4:kategorie3:be07

Im schulischen Alltag schaffen kleine und vermeintlich “simple” Handlungsmöglichkeiten präventiv und niederschwellig einen hilfreichen Rahmen. Dieser kann Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen Halt und Orientierung geben und damit zur Bewältigung herausfordernder Situationen beitragen.

Die hier dargestellten Anregungen dienen als Impulse und nicht als Rezepte. Oberflächlich betrachtet wirken sie wie einfach anzuwendende Techniken. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass auch hinter diesen Handlungsmöglichkeiten die darunter liegende Haltung der Lehrkraft von zentraler Bedeutung ist. Diese ist maßgeblich dafür, ob die betreffenden Schüler:innen eine Maßnahme als Strafe oder Unterstützung, als Beschämung oder Entlastung wahrnehmen können.

Insgesamt finden sich die hier vorgestellten Handlungsmöglichkeiten in der Literatur rund um das Thema “Klassenführung”. Im Rahmen der WSD gehören sie zu dem Gesamtpaket der unter “situativen Handeln” vorgestellten Handlungsmöglichkeiten und sind immer vor dem Hintergrund der individuellen Entwicklungs- und Bildungsangebotsplanung zu verstehen.

Um eine sinnvolle und zielführende Umsetzung einer Handlungsmöglichkeit im Vorfeld zu überprüfen, sollte die aktuelle Situation mehrperspektivisch analysiert werden:

  • Reflexion der eigenen Person, der Beziehung zum Kind und zur Gruppe (Bedürfnisse, Motive, Ansprüche, Werte, Formen der Beziehungsgestaltung, persönliche Stressauslöser, persönliche Ressourcen, …)
  • Reflexion der Beobachtungen des einzelnen Kindes oder Jugendlichen (Umgang mit Bedürfnissen, Situationen des Wohlbefindens, Situationen des Unwohlseins, Umgang mit Unterstützung, Verletzlichkeiten, Beziehung zur Gruppe, Position innerhalb der Gruppe, …)
  • Reflexion der Beobachtungen von Interaktionen innerhalb der Gruppe (Gruppenklima, Gruppenkodex, Kleingruppenbildungen, Beziehungen untereinander, Allianzen, Austragungsformen für Konflikte, …)
  • Reflexion der Beobachtungen von Unterrichtssituationen (Interessen der Gruppe oder einzelner Schüler:innen, Resonanz auf Unterrichtsthemen, hilfreiche Arbeitsformen, vertraute/hilfreiche Sozialformen, …)
  • Reflexion der Rahmenbedingungen (räumliche Bedingungen wie Raumgröße, -ausstattung, - beleuchtung, -temperatur, Gestaltung des Raumes durch Sitzordnung, ausliegende Materialien, Raumschmuck, Bilder, …)

Konkrete Ansatzpunkte

Beziehungsgestaltung

  • Gelingt es Ihnen, mit den einzelnen Schüler:innen in Kontakt zu treten/zu bleiben (kurzer Blickkontakt, kleine Gesten und Bemerkungen, …)?
  • Gelingt es Ihnen, eine positive Grundstimmung zu erzeugen?
  • Dürfen Gefühle wie Freude, Angst, Trauer und Ärger gezeigt werden?
  • Legen Sie Wert auf einen freundlichen und förderlichen Umgangston?
  • Wie gelingt es Ihnen, Beschimpfungen und Abwertungen gegenüber Schüler:innen zu vermeiden?
  • Vermeiden Sie beschämende Situationen?
  • Gelingt es Ihnen, mit Humor schwierige Momente umzudeuten?
  • Gelingt es Ihnen, liebenswerte Seiten der Schülerin:des Schülers zu sehen?
  • Wie unterstützen Sie gruppendynamische Prozesse (z.B. gemeinschaftsfördernde Aktivitäten zu Schuljahresbeginn, aktive Arbeit am Gruppenkodex, Umgang mit Konflikten, …)?

Gestaltung der Sitzordnung und des Sitzplatzes

  • Braucht die Schülerin:der Schüler die Nähe der Lehrkraft?
  • Braucht die Schülerin:der Schüler positive Vorbilder?
  • Braucht die Schülerin:der Schüler Freund:innen in der Nähe?
  • Braucht die Schülerin:der Schüler einen festen Platz?
  • Braucht die die Schülerin:der Schüler weniger Reize?
  • Braucht die die Schülerin:der Schüler schützende Begrenzungen durch Wände/Regale etc.?
  • Braucht die die Schülerin:der Schüler Unterstützung bei der Organisation des Arbeitsplatzes? (z.B. Markierungen von Bereichen für Materialien)
  • Haben die Schüler:innen die Möglichkeit, den eigenen Sitzplatz persönlich zu gestalten?

Gestaltung der Lernumgebung

  • Fördert das Klassenzimmer das Wohlbefinden durch eine ansprechende und anregende Gestaltung?
  • Können die Schüler:innen das Klassenzimmer mitgestalten?
  • Sind im Klassenzimmer Ablenkungen durch Bilder, Materialien etc. minimiert?
  • Hat die Einrichtung des Klassenzimmers eine klare Struktur, durch die Orientierung unterstützt wird?
  • Sind verschiedene Fächer durch verschiedene Farben gekennzeichnet?
  • Wie ist der Tisch der Lehrpersonen gestaltet? (Modelllernen)
  • Wie kann ungestörtes Lernen unterstützt werden? (z.B. durch Abtrennungen)
  • Wo werden erledigte Aufgaben abgelegt?
  • Wann und wo werden Hausaufgaben abgegeben?

Gestaltung des Unterrichts und der Arbeitsaufträge

  • Gestalten Sie den Unterricht anregend?
  • Teilen Sie die Lernzeit in bewältigbare Abschnitte auf?
  • Wie häufig wechseln Sie Methoden und Aktivitäten?
  • Sprechen Sie verschiedene Sinneskanäle an? (hören, sehen, anfassen, …)
  • Wie viel Zeit planen Sie für selbständiges Arbeiten der Schüler:innen ein?
  • Verwenden Sie visuelle Hilfsmittel?
  • Wie lange dauert das Unterrichtsgespräch?
  • Stellen Sie anregende Fragen?
  • Nehmen Sie Schüler:innenbeiträge auf?
  • Geben Sie Ihren Schüler:innen genügend Nachdenkzeit?
  • Wann und wie oft gibt es für die Schüler:innen nachvollziehbares, konkretes Feedback?
  • Sprechen Sie mit der Schülerin:dem Schüler individuelle, konkrete Ziele ab? (Verhaltens- und Leistungsebene)
  • Wann darf man in der Klasse miteinander sprechen?
  • Zu welchem Zweck darf man in der Klasse aufstehen?
  • Kommentieren Sie positives (Arbeits-)verhalten?
  • Versichern Sie sich durch Blickkontakt, ob die Schülerin:der Schüler den Arbeitsauftrag angefangen hat?
  • In welcher Stimmlage geben Sie Anweisungen? Sprechen Sie mit freundlicher Stimme, um Zuversicht zu vermitteln? Sprechen Sie klar und bestimmt, um Grenzen aufzuzeigen?
  • Sind Ihre Arbeitsanweisungen kurz und klar?
  • Was müssen Schüler:innen tun, wenn sie Hilfe benötigen?

Unterrichtsfluss aufrechterhalten

  • Üben Sie mit der Klasse wiederkehrende Abläufe ein? (z.B. schnelles Austeilen)
  • Wie organisieren Sie Übergänge? (z.B. von einer Aktivität zur anderen)
  • Wie vermeiden Sie Leerlauf? (z.B. für Schüler:innen, die früher fertig sind)
  • Wie vermeiden Sie eigene Störungen? (z.B. lange Moralpredigten, Äußerungen zu Nebensächlichkeiten)
  • Konzentrieren Sie sich auf die Aufgabe? Oder auf die Störung? (Statt „Tom, sei still!“, „Tom, schreibe die Sätze zu Ende!“)
  • Zeigen Sie mit nonverbalen Signalen, dass Sie Unterbrechungen z.B. während Sie einen Arbeitsauftrag formulieren, nicht wünschen? (“Overlapping”)
  • Zeigen Sie, dass Sie merken, was in der Klasse vor sich geht, indem Sie sich z.B. im Raum bewegen und Einzelne nonverbal begrenzen? (“Augen im Hinterkopf haben”)
  • Planen Sie den Umgang mit Phasen, in denen Störungen auftreten werden, im Voraus?

Gestaltung der Umgangsregeln

  • Achten Sie auf die Einhaltung weniger grundlegender Regeln?
  • Sind die Regeln eindeutig, handlungsorientiert und positiv formuliert?
  • Achten Sie insbesondere zum Schuljahresbeginn auf die Einführung von verbindlichen Regeln?
  • Wissen die Schüler:innen, warum die Regeln wichtig sind? (z.B. dass Worte wehtun können)
  • Welche Möglichkeiten haben Sie, im Vorfeld von Sanktionen auf Regelverstöße zu reagieren? (Blickkontakt, kurze Bemerkung, Rückgriff auf individuelle Vereinbarungen, …)
  • Bestärken Sie verhaltensauffällige Schüler:innen bei positivem Verhalten?
  • Nehmen Sie Ihre eigenen Regeln ernst?
  • Reagieren Sie früh auf Regelverstöße?
  • Welche Konsequenzen folgen bei der Missachtung der Regeln und sind diese bekannt?
  • Fordern Sie bei unangemessenem Verhalten die Schülerin:den Schüler zur Unterstützung auf? (“Ich brauche jetzt deine Hilfe, damit nicht alles schiefgeht…”)
  • Wie gehen Sie mit Konflikten um (passiv-vermeidend durch Ignorieren, Maßregeln oder aktiv-gestaltend durch Aufgreifen, Ansprechen, Klären?
  • Welche Konfliktbearbeitungsstrategien kennen und nutzen Sie?
  • Nehmen Sie in Konflikten Bezug auf die Regeln?

Härle, Witt

Literatur

Hartke, B. & Vrban, R. (2008). Schwierige Schüler - 49 Handlungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten. 1.-4. Klasse. Buxtehude: Persen

Hartke, B., Blumenthal, Y., Carnein, O. & Vrban, R. (2014). Schwierige Schüler – Sekundarstufe – 64 Handlungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten. 5.-10. Klasse. Hamburg: Persen

Hillenbrand, C., Hennemann, T., Hens, S. & Hövel, D. (2013). “Lubo aus dem All!” - 1. und 2. Klasse. Programm zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen. München: Reinhardt

Nolting, H.-P. (2002). Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung. Weinheim: Beltz

https://www.zentrales-adhs-netz.de/fuer-paedagogen/hilfreiche-konzepte-materialien/adhs-in-der-schule-strategien-fuer-schule-und-unterricht/

wsd/verhalten/themen/themenfeld4/kategorie3/be07.txt · Zuletzt geändert: 2022/11/21 16:07 von Romina Rauner