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wsd:mathematik:groessen_messen

Theorien und Modelle zu Größen und Messen

Zitiervorschlag: Rauner, R., Stecher, M., Riess, A. & Gross, C. (2021). „Theorien und Modelle zu Größen und Messen.“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathematik:groessen_messen Abgerufen von URL:https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathematik:groessen_messen, CC BY-SA 4.0

Größen werden nach Franke und Ruwisch (2010) durch gedankliche Abstraktionen von messbaren Eigenschaften realer Objekte gewonnen.

Grundvoraussetzungen nach Lehrer

Im Rahmen der Kompetenzentwicklung im Bereich Größen und Messen ist nach Lehrer 2003 der Erwerb folgender grundlegender Voraussetzungen erforderlich. Bis alle Grundvoraussetzungen verstanden sind, durchläuft das Kind verschiedene Entwicklungsstufen. Es kann dabei jedoch durch unterschiedliche Erfahrungsräume wie auch durch gesammelte Erkenntnisse die Entwicklungsstufen individuell durchlaufen.

  • Einheits-Attribut-Beziehung: Einblick in den Zusammenhang zwischen Einheit und Merkmal des Gemessenen (Längeneinheiten nicht zur Beschreibung von Flächen geeignet)
  • Wiederholung der Einheit: Einsicht darin, dass beim Abmessen gleiche Teile eines Ganzen gebildet werden
  • Aneinanderreihen der Einheit: Erkenntnis, dass beim Abmessen keine Lücken/Sprünge zwischen den einzelnen Einheiten vorhanden sein dürfen (z. B. beim Messen einer Gesamtläge von Teilstücken)
  • Identische Einheiten: Einsicht, dass kenntlich gemacht werden muss, wenn unterschiedliche Einheiten genutzt werden (nicht: Es sind 7, sondern: 4m und 3cm)
  • Standardisierte Einheiten: Erkenntnis, dass die Vereinbarungen über Einheiten die Kommunikation über Größen vereinfachen
  • Proportionalität: Erkenntnis, dass jede Messung proportional zur Einheit sein muss (10 cm = 1dm)
  • Additivität: Erkenntnis, dass Einheiten zerlegt und wieder zusammengesetzt werden können (Die Länge einer gemessenen Gesamtstrecke entspricht der Länge der enthaltenen Teilstrecken)
  • Nullpunkt: Erkenntnis, dass jeder Punkt einer Messskala als Ausgangspunkt für eine Messung dienen kann (der Abstand zwischen 0 und 10cm auf dem Lineal ist gleich groß wie der Abstand zwischen 20 und 30cm)

Stufenfolge nach Radatz und Schipper

Der Abstraktionsprozess zum Gewinnen von Größen wird im unterrichtlichen Kontext über bestimmte Stufen realisiert. Handlungsleitend hierbei ist das im Folgenden dargestellte didaktische Stufenmodell (vgl. Radatz & Schipper, 1983):

  1. Sammeln erster Erfahrungen mit den verschiedenen Größen in Sach-, Spiel-, und Alltagssituationen
  2. Direkter Vergleich von Repräsentanten
  3. Indirekter Vergleich von Repräsentanten mittels willkürlicher Maßeinheiten / mittels standardisierter Maßeinheiten (Messen mit Messgeräten)
  4. Umwandeln von Maßeinheiten (Verfeinern und Vergröbern)
  5. Rechnen mit Größen

Radatz und Schipper weisen darauf hin, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen fließend sind, von der Stufenfolge bei Bedarf abgewichen werden kann.

Die im didaktischen Stufenmodell von Radatz und Schipper beschriebenen Stufen strukturieren den Bereich der Aktivitäten in der Arbeitshilfe zu Größen und Messen. Die Erhebung diagnostischer Daten im Bereich Größen und Messen muss sich auf konkrete Maßeinheiten beziehen, da sich diese durch die in folgender Tabelle aufgeführten Besonderheiten auszeichnen:

Längen- Korrekte Nutzung verschiedener Messgeräte wie Zollstock, Maßband, Lineal
- Beim Geodreieck die 0 als Ausgangspunkt der Messung nutzen, obwohl diese in der Mitte liegt
Zeit/Zeitspannen- Korrekte Nutzung der verschiedenen Einheiten (Jahreszeit, Monate, Wochentage,…)
- Lesen von analogen und digitalen Uhren
- Korrekte Nutzung der „Sprechweise zur Uhr“ (08:15 Uhr bedeutet das gleiche wie viertel nach acht)
- Analysieren des „Mitwanderns“ der unterschiedlichen Zeiger auf der analogen Uhr
- Zeitpunkte nicht als Größen, sondern als Werte auf einem Messgerät verstehen (Zeitberechnungen lassen sich nicht in der beim Rechnen üblichen Form als Gleichung aufschreiben)
- Bei der Umwandlung von z.B. Sekunden in Minuten die Umwandlungszahl 60 berücksichtigen, bei Tag, Woche, Jahr usw. unregelmäßige Umwandlungszahlen berücksichtigen
- Begreifen der Zeit sowohl als linear (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), als auch als zyklisch (Tagesablauf, Jahresverlauf)
- Verstehen, dass das Zeitempfinden subjektiv ist
Gewicht- Erkennen, dass nicht alleine über das Volumen auf die Masse eines Gegenstandes geschlossen werden kann
- Korrektes Benutzen unterschiedlicher Waagen
Geld- Erkennen, dass Geld über keine standardisierten Maßeinheiten verfügt (verschiedene Währungen)
- Nutzen der fest vorgegebenen Stückelung von Scheinen und Münzen als Repräsentanten (Geld ist nicht beliebig in kleinere Einheiten unterteilbar)
- Erkennen, dass die auf Münzen und Scheinen vorhandenen Zahlen allein nicht ausreichen, um einen Wert zu erfassen, vielmehr müssen die verschiedenen Gruppen (Cent-Münzen, Euro-Münzen, Scheine) unterschieden werden, um die Wertbeziehungen zu erfassen
- Erkennen, dass Preise nicht stabil und oft nicht proportional (Mengenrabatt) sind
- Verstehen, dass der „Wert“ eines Gegenstandes subjektiv ist
Volumen- Korrektes Benutzen von trichterförmigen Messbechern mit nicht-proportionalen Skalen
- Korrekte Verwendung der Bruchschreibweise

Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen nach Franke und Ruwisch

Franke und Ruwisch verdeutlichen in dem im Folgenden dargestellten Modell den Aufbau von Größenvorstellungen über konkrete und mentale sowie quantitative und qualitative Vergleiche.

Schätzen im Sinne des Modells geschieht durch den gedanklichen Vergleich mit einem verinnerlichten Repräsentanten zur Ermittlung einer ungefähren Größenangabe. Es findet also ein Rückgriff auf gemachte Vorerfahrungen (Stützpunktvorstellungen) statt.

Messen geschieht durch das Vergleichen des zu messenden Objekts mit einer als Maßeinheit gewählten Größe der gleichen Art: Es muss eine Einheit gefunden werden, die Einheit muss wiederholt benutzt und dabei gezählt werden, wenn das zu Messende größer ist als die Maßeinheit. Des Weiteren muss die Einheit systematisch untergliedert werden, wenn keine natürliche Zahl als Maßzahl das zu Messende völlig erfassen kann.

Direktes Vergleichen greift Vorerfahrungen des Ordnens auf. Die zu vergleichenden Objekte müssen sich bei direkten Vergleichen zur selben Zeit am selben Ort befinden. Ein indirektes Vergleichen ist mithilfe standardisierter Messeinheiten möglich.

Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen

Zitiervorschlag: Grafik „Modell zum Aufbau von Größenvorstellungen“ von Albrecht, C. (2021) nach Ruwisch, S. (2015). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:mathematik:groessen_messen#modell_aufbau_von_groessenvorstellungen, CC BY-SA 4.0


Bei einer diagnostischen Fragestellung im Bereich Größen und Messen muss zusätzlich der Bereich Zahlen und Operationen diagnostisch in den Blick genommen werden, da die Ursache für Schwierigkeiten im Bereich Größen und Messen auch in der Entwicklung des Zahl- und Operationsverständnisses liegen könnte.


Literatur

Becker, N. (2009). Entwicklung des Größenverständnisses in Vor- und Grundschulklassen. Offenburg: Mildenberger Verlag.

Franke, M. & Ruwisch, S. (2010). Didaktik des Sachrechnens in der Grundschule. Heidelberg: Springer Verlag.

Lehrer, R. (2003). Developing understandings of measurement. In: Kilpatrick, J., Martin, W. & Schifter, D. (Hrsg.). A research companion to principles and standards for school mathematics. Reston. VA: National Council of Teachers of Mathematics.

Radatz, H. & Schipper, W. (1983). Handbuch für den Mathematikunterricht an Grundschulen. Hannover: Schroedel.

Ruwisch, S. (2015). Lebendige Größenvorstellungen im Spannungsfeld von Vergleichen, Stützpunktwissen, Messen und Schätzen. Abgerufen von https://sinus-sh.lernnetz.de/sinusag/aktuelles/


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

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