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Sprachförderung mit digitalen Medien
Zitiervorschlag: Meißner, A. (2023). „Sprachförderung mit digitalen Medien“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:digitale_medien, CC BY-SA 4.0
Kinder und Jugendliche mit Schwierigkeiten auf den einzelnen Ebenen der Lautsprache (Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Sprachgebrauch) benötigen besondere Unterstützung, um am Unterricht teilhaben zu können. Dabei sind Medien oft eine gute Unterstützung. Medienkompetenz und digitale Bildung müssen daher alltagsintegriert in allen Schulfächern zu finden sein. Unterricht hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, Fach-, Sprach- und Medienkompetenz zu vermitteln.
„Medium“ meint hierbei „Mittel“, „Mittler“ oder „Vermittelndes“. Medien sind einerseits Träger von Bedeutung und Information im Rahmen der Kommunikation, andererseits im Rahmen von sprachlichen Lernprozessen (vgl. Reber 2020).
Codierungsformen von Medien
Medien sind in unterschiedlichen Codierungsformen zu finden. Sie bilden die reale Welt ab und codieren Informationen mehr oder weniger abstrakt. Angelehnt an die Repräsentationsformen nach Bruner et. Al kann man dabei verschiedene Codierungsformen unterscheiden:
Zitiervorschlag: Grafik „Codierungsformen von Medien“ von Meißner, A. (2023) nach Reber (2020). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:digitale_medien, CC BY-SA 4.0
Für den Einsatz von digitalen Medien muss immer bedacht werden, dass enaktive Erfahrungen in der realen Welt die Basis für ikonische Repräsentationsformen in Form von Bildern und noch später symbolisch in Form von verbalen, non-verbalen oder abstrakten Darstellungen eines Objekts bilden. Das Betrachten von Bildern setzt bei Kindern eine Fülle von Informationen über den Gegenstand auf dem Bild voraus. Ein Bild zu sehen, bedeutet ganz viel zu wissen. Wenn Kinder zweidimensionale Bilder noch nicht erkennen können und noch keine innere Vorstellung von Alltagsgegenständen entwickelt haben, dann können sie ein Tablet noch nicht richtig nutzen. Neue Lerninhalte sollten immer erst real erschlossen werden. Digitale Medien und damit verbunden abstraktere Codierungsformen sind sinnvoll, um Lerninhalte zu vertiefen und Ergebnisse zu sichern.
Medienkompetenzentwicklung
Die Medienkompetenzentwicklung hängt eng mit der Sprach- und Spielentwicklung zusammen, weshalb in den verschiedenen Entwicklungsphasen unterschiedliche Medien für Kinder sinnvoll sind. Sie entwickelt sich mehrdimensional auf kognitiver, emotionaler, moralischer und ästhetischer Ebene, damit Wissen, Fähigkeiten und kritischer Umgang mit Medien gelingen.
Formen des Medieneinsatzes
Digitale Medien werden als Lern- und Hilfsmittel im Unterricht eingesetzt, um unterschiedliche sprachliche Ebenen (Aussprache, Wortschatz, Grammatik, etc.) zu fördern. Außerdem können sie zur Intervention und Therapie eingesetzt werden (z.B. Software zur Stottertherapie). Ebenso gibt es computergestützte Diagnostikverfahren, die die Durchführung und Auswertung erleichtern (z.B. ESGRAF-MK). Als Unterrichtsgegenstand kommen digitale Medien zum Einsatz, wenn Übersetzungsprogramme, Rechtschreibkorrektur oder Spracherkennung eigenständig von Schüler:innen zum Lernen genutzt werden.
Unterrichtsprinzipien zum Medieneinsatz
Die Kommunikation beim Einsatz von digitalen Medien kann unterstützt werden durch (Reber 2018):
- dialogische Sitzplatzanordnung, die ein „Sich Anschauen“ ermöglicht
- Primat der Kommunikation: Möglichst zu zweit am Gerät
- Sprachvorbild der Lehrkraft: Interaktion auf Inhalt anstatt auf Technik beziehen
- Handlungsbegleitendes Sprechen und Nutzen von Fachwörtern
- spezifischen Wortschatz vorentlasten
- dialogisches Betrachten von Medien
- Wechsel von Kommunikation und Aktion: Kommunikation mit Partner:in – Aktion mit dem Gerät
- Wiederholungen zulassen – Speichermöglichkeiten vertiefen
Reflexion des Medieneinsatzes
Das SAMR-Modell von Puentedura ermöglicht Reflexion der Art und Weise, wie man digitale Medien im Unterricht einsetzt. Es beschreibt vier verschiedene Nutzungsarten neuer Medien. Die vier Stufen ergänzen sich und sollen nicht als hierarchische Abfolge verstanden werden, jede Stufe hat je nach Unterrichtsinhalt ihre Berechtigung.
Zitiervorschlag: Grafik „SAMR-Modell: Aufgaben durch den Einsatz digitaler Medien erweitern, umgestalten oder neu kreieren“, abgerufen von IQES online, adaptiert nach IQSH (2018) nach dem SAMR-Modell (Puentedura 2012). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:digitale_medien, CC BY-SA 4.0
Native Funktionen für die Sprachförderung nutzen
Tablets oder auch Laptops haben eine Vielzahl an nativen Funktionen, die sich ohne großen Mehraufwand für die Sprachförderung eignen (Reber 2018):
- Kamera- und Videoaufnahmen, z.B. Situationen aufnehmen und abspielen
- Diktiergerät/ Sprachaufnahme, z.B. deutliches Sprechen, Feedback, Fremdhören
- Spracherkennung, z.B. deutliches Sprechen
- Vorlesefunktion
Der Einsatz von digitalen Medien zur Sprachförderung bietet viel Potenzial. Schüler:innen sprechen bei Film- und Tonaufnahmen intrinsisch motiviert und besonders pilotsprachlich. Sie wiederholen Texte von selbst mehrfach. Diese Spracherprobungssituationen können im Anschluss gemeinsam reflektiert werden. Die Kommunikation wird gefördert, da bei einem gemeinsamen digitalen Projekt genaue Absprachen gemacht und Rollen übernommen werden müssen. Natürliche Kommunikationsanlässe entstehen sowie neue Kommunikationskanäle für die Teilhabe (Sprachnachrichten, Emojis, etc.). Kollaborative Formen ermöglichen „seamless learning“, da asynchron über Orts-, Zeit- und Gruppengrenzen hinweg zusammen gelernt werden kann. Des Weiteren können Lerninhalte individuell abgerufen und wiederholt werden. Selbstgesteuertes Lernen wird z.B. durch die individuelle Auswahl an Niveaustufen gefördert und Lerninhalte können differenziert und individualisiert angeboten werden. Auch neutrales und direktes Feedback innerhalb von Lernplattformen oder persönliches sprachliches Feedback durch sprechende QR-Codes sind möglich. Alle Sprachebenen können mit digitalen Medien gefördert werden. Eine Sammlung verschiedener Apps, Lernplattformen, etc. findet sich auf folgender TaskCard.
Vor dem Einsatz von digitalen Medien gilt immer individuell kritisch zu prüfen, ob sich diese für den Verwendungszweck eignen. Dazu sind zwei mögliche Bewertungsraster auf der TaskCard zu finden.
Wie startet man mit digitalen Medien?
Am besten beginnt man mit einem Bereich, der einen persönlich interessiert, motiviert und Sinn macht. Medien als „teaching device“ in der eignen Hand nutzen, z.B. etwas digital präsentieren. Daran anknüpfend bietet sich der Medieneinsatz in der Hand der Schüler:innen an, zunächst mit einem Gerät (z.B. innerhalb einer Lerntheke), später mit mehreren Geräten oder Klassensätzen. Mutiges Ausprobieren und gemeinsames digitales Lernen mit den Schüler:innen ermöglichen die unterrichtsimmanente Medienkompetenzentwicklung.
Weiterführende Materialien
Literatur
Brägger, G (2023). Mit dem SAMR-Modell zu einer digitalen Aufgabenkultur. https://www.iqesonline.net/bildung-digital/digitale-schulentwicklung/modelle-zur-digitalisierung-von-schule-und-unterricht/das-samr-model/ (zuletzt abgerufen am 9.11.23) Bruner, J. & Oliver, R. & Marks Greenfield, P.(1988):Studien zur kognitiven Entwicklung. Stuttgart: Kohlhammer.
KMK(2017). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf (zuletzt abgerufen am 9.11.2023)
Lüneberger, M.; Krstoski, I.; Schulz, L. & Wichmann, D. (2022). Diklusive Lernwelten. Zeitgemäßes Lernen für alle Schüler:innen. Visual: Dornstadt.
Niklas, F. (2018). Was können Kinder? Kompetenzen verschiedener Altersstufen. https://www.blm.de/files/pdf2/2018_blm_niklas_was-knnen-kinder.pdf
Reber, K.(2004). Metalinguistische Intervention – computergestützte Förderung. In: Grohnfeldt, M. (2004): Lehrbuch Sprachheilpädagogik und Logopädie, Bd. 5: Bildung, Erziehung und Unterricht. Verlag W.Kohlhammer, Stuttgart, S.265-279.
Reber, K. (2016). Auf dem Weg zur vierten Kulturtechnik: Mediendidaktik im Förderschwerpunkt Sprache. In: Praxis Sprache DGS Sprachheilarbeit, Heft 1, 33-40.
Reber, K. (2018). Medien im Förderschwerpunkt Sprache. https://www.inclusiveappucation.com/sprache.html
Reber, K.; Wildegger-Lack, E. (2020). Sprachförderung mit Medien: Von real bis digital. Wissenswertes für Eltern, Pädagogen und Therapeuten. Schulz-Kirchner-Verlag: Idstein.
Reber, K. (2021). Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie: Reale und digitale Lernwelten verknüpfen. IN: mitSprache, Fachzeitschrift für Sprachheilpädagogik, 2/21, S. 5-24.
Reber, K.; Schulz, L. (2023). Sprache und Kommunikation in einer Kultur der Digitalität. In: Praxis Sprache DSG Sprachheilarbeit Jg. 68 Heft 1, S.29-37.
Rimpau, K. (2023). Sprache fördern mit digitalen Medien – ein Potpourri an Ideen und Anregungen für den Unterricht.
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg