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Alltags- und familienorientierte Sprachförderung
Zitiervorschlag: Rauner, R. (2022). „Alltags- und familienorientierte Sprachförderung“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:didaktisierung:alltags-_familienorientierung, CC BY-SA 4.0
Im Zentrum einer alltags- und familienorientierten Sprachförderung stehen sinnvolle und handlungsorientierte (Spiel-) Situationen des Kindes. Ziel ist es, dem Kind Raum zu geben, die linguistischen Regeln der Sprache in alltäglichen kommunikativen Kontexten zu erwerben und anzuwenden.
Für die Umsetzung einer alltags- und familienorientierten Sprachförderung ist es bedeutsam, den Bezugspersonen des Kindes Anregungen zu geben, um das sprachfördernde Potenzial von Alltagssituationen entdecken und aufbereiten zu können, entsprechende Angebote in den Alltag zu integrieren und sich selbst im täglichen Umgang mit den Kindern sprachförderlich verhalten zu können (vgl. Firmino et al 2014).
Untersuchungen belegen, dass alltags- und familienorientientierte Sprachförderangebote weitaus effektiver sind als spezifische und eher additiv ausgerichtete Sprachförderprogramme (vgl. Hofmann & Plotzeket al 2008, zitiert nach Firmino et al 2014).
Prinzipien einer alltags- und familienorientierten (Sprach-)Förderung
Nahezu alle alltäglichen Situationen innerhalb einer Familie können genutzt werden, um Kinder aktiv miteinzubeziehen, mit ihnen in Kommunikation zu treten und Handlungen sprachlich zu begleiten.
Gerade für Kinder mit Schwierigkeiten im Bereich der Kommunikation ist es deshalb besonders relevant, Förderangebote familienorientiert zu gestalten.
Doch was meint der Begriff „Familienorientierung“ in diesem Zusammenhang?
Im Folgenden werden zunächst die Prinzipien einer alltags- und familienorientierten Förderung dargestellt, im Anschluss daran die Umsetzung der beschriebenen Prinzipien bei der Planung und Durchführung von Förderangeboten beleuchtet.
Prinzipien einer alltags- und familienorientierten Förderung (vgl. Sarimski & Hintermair et al 2013):
- Das übergeordnete Ziel alltags- und familienorientierter Förderung ist es, die Familien in die Lage zu bringen, Herausforderungen selbstständig zu lösen
- Gegenseitiges Vertrauen, Respekt, Ehrlichkeit und offene Kommunikationsformen charakterisieren die Beziehung zwischen Fachkräften und Eltern
- Die Eltern sind aktive Partner:innen bei allen Entscheidungsprozessen. Sie bestimmen über die Art der Unterstützung, die ihnen zuteilwird.
- Der Arbeitsprozess von Familien und Fachkräften konzentriert sich auf die Identifizierung von Bedürfnissen, von Zielen und Sorgen der Familie, auf ihre Stärken und die Hilfen, derer sie bedürfen, um ihre Ziele zu erreichen
- Fachkräfte aller Fachrichtungen arbeiten mit den Familien zusammen, um die Ressourcen zu mobilisieren, die am besten den familiären Bedürfnissen entsprechen
- Die Unterstützung ist flexibel und individuell auf die sich verändernden Bedürfnisse der Familien abgestimmt
- Die Fachkräfte beachten die kulturellen Hintergründe und Einstellungen der Familien bei den Gesprächen und der Planung aller Interventionen“
Damit Maßnahmen im Sinne der genannten Prinzipien geplant und umgesetzt werden können, ist es bedeutsam, die familiären Ressourcen und Bedürfnisse zu kennen sowie einen guten Einblick in den Alltag der Familie und die Beteiligung des Kindes an den familiären Alltagsaktivitäten zu bekommen.
Im Sinne der ICF-CY muss hier also der Blick nicht nur auf die Aktivitäten des Kindes gerichtet werden, vielmehr kommt der Teilhabedimension hier eine zentrale Bedeutung zu: der Erwerb einzelner Fertigkeiten ist nur dann sinnvoll, wenn er zu einer Erweiterung der kindlichen Partizipation im Alltag beiträgt (Sarimski & Hintermair et al). Die Planung konkreter Maßnahmen muss folglich auf die Alltagssituationen der Familie und die kindlichen Interessen abgestimmt werden.
Eine familienorientierte Förderung intendiert die Gestaltung vielfältiger Lerngelegenheiten in natürlichen Lernumgebungen, innerhalb derer das Kind von den Eltern bzw. den weiteren Bezugspersonen Angebote zum Erwerb neuer Kompetenzen, z. B. im Bereich der Kommunikation erhält (Peteraner & Weiß 2017).
Familienorientierung hat nach Pretis nicht primär mit dem Setting zu tun, in welchem Förderung stattfindet, sondern spiegelt vielmehr eine Haltung der Fachkräfte wider (vgl. Pretis 2014). Peterander und Weiß beschreiben in diesem Kontext die Kooperation mit den an der Förderung des Kindes Beteilgten als ebenso wichtig wie die Kooperation mit den Eltern, betonen aber gleichzeitig, dass die Kooperation mit Kindergärten die Elternarbeit nicht kompensieren kann, da die Familie des Kindes seinen zentralen und primären Erfahrungsraum darstellt (Peteraner & Weiß 2017).
Im Qualitätsrahmen Frühförderung des Seminars für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Freiburg (Abteilung Sonderpädagogik) bilden sich die Prinzipien einer alltags- und familienorientierten (Sprach-)Förderung exemplarisch für den Bereich der Frühförderung ab. Der Qualitätsrahmen dient als Referenzrahmen für die Planung, Durchführung und Reflexion alltags- und familienorientierter Förderangebote.
Literatur
Firmino, N. & Menke, R. et al (2014). „Bewegte Sprache“ im Kindergarten: Überprüfung der Effektivität einer alltagsorientierten Sprachförderung
Peterander, F. & Weiß, H. (2017). Wirksamkeit Familienorientierter Frühförderung. In: Frühförderung interdisziplinär 1/2017. München, Basel: Reinhardt Verlag
Pretis, M. (2014). Settings und Familienorientierung in der Frühförderung. Eine empirische Annäherung auf der Basis von Elterndaten norddeutscher Frühförderstellen. In: Frühförderung interdisziplinär 2/2014. München und Basel: Reinhardt Verlag
Sarimski, K. & Hintermair, M. et al (2013). Familienorientierte Frühförderung von Kindern mit Behinderung. München und Basel: Reinhardt Verlag
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg