Modell der sprachlichen Repräsentationsveränderungen nach Aktas
Zitiervorschlag: Rauner, R. (2022). „Modell der sprachlichen Repräsentationsveränderungen nach Aktas.“ Abgerufen von URL:https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:kommunikation:aktas, CC BY-SA 4.0
Dem Modell der sprachlichen Repräsentationsveränderung mit den zentralen Entwicklungsaufgaben nach Aktas (2012) liegt die Annahme zugrunde, dass Kinder mit Schwierigkeiten im Bereich der Kommunikation dieselben Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben wie Kinder mit einem ungestörten Sprachentwicklungsverlauf. Es muss also analysiert werden, an welchem Punkt im sprachlichen Entwicklungsverlauf sich ein Kind konkret befindet und welche Entwicklungsaufgaben in nächster Zeit anstehen.
Folglich richtet Aktas ihr Modell an einem ungestörten Verlauf aus und bildet in jeder Phase nicht nur die sprachlichen Repräsentationsveränderungen, sondern auch die zentralen Entwicklungsaufgaben ab, die ein Kind bewältigen muss, um im Spracherwerb fortzuschreiten. Die auf der Verhaltensebene beobachtbaren kommunikativen Verhaltensweisen und sprachlichen Äußerungen lassen dabei in gewissem Umfang Rückschlüsse auf Veränderungen in den sprachlichen Repräsentationen zu.
Entwicklungsmodell nach Aktas
Im Erweiterten Modell der sprachlichen Repräsentationsveränderungen beschreibt Aktas (2012) die zentralen Entwicklungsaufgaben, die ein Kind bewältigen muss, um sich bezüglich seiner kommunikativen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Das Modell besteht aus folgenden vier Phasen:
Phase 1: Vorsymbolisches Handeln
Phase 2: Implizites Symbolwissen
Phase 3: Implizites Sprachwissen
Phase 4: Explizites Sprachwissen
Die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen sind fließend. Verhaltensweisen, die in einer früheren Phase im Zentrum der Entwicklung standen, können auch in späteren Phasen gelegentlich noch gezeigt werden. Hin und wieder kann auch eine Verhaltensweise aus einer späteren Phase auftreten, ohne dass dies zwangsläufig heißt, dass der Repräsentationswechsel bereits stattgefunden hat.
Phase 1: Vorsymbolisches Handeln
Entwicklungsaufgabe Lautbildung
Erste vokalähnliche Laute („Gurren“) aber etwa der 6.-8.Woche
Ab ca. 3 Monaten Nachahmung von und Experimentieren mit Lauten (Modifikation von Tonhöhe, Lautstärke, Rhythmus oder Tempo)
Im Alter von 4 Monaten werden erste Konsonant-Vokal-Verbindungen produziert („Plappern“).
Bildung mehrsilbiger Lautketten im Alter ab 6-7 Monaten („Kanonisches Lallen)
Annäherung der lautlichen Äußerungen an die rhythmisch-prosodischen Merkmale der Erstsprache
Entwicklungsaufgabe intentionale Kommunikation
Im Alter ab 9-10 Monaten beginnen Kinder damit, von sich aus Interaktionen in Gang zu setzen.
Das Kind wechselt mit seinem Blick zwischen den Interaktionspartner:innen und dem interessierenden Objekt hin und her
Wenn das Kind merkt, dass seine Bezugspersonen nicht auf sein Verhalten reagieren, wiederholt und modifiziert es seine Hinweise so lange, bis es verstanden wird.
Das Kind nutzt auffordernde oder aufmerksamkeitslenkende Gesten.
Phase 2: Implizites Symbolwissen
Im Übergang von Phase 1 zu Phase 2 findet ein gravierender Repräsentationswechsel statt: Die Kommunikation verändert sich von der vorsymbolischen, kontextabhängigen zur wesentlich abstrakteren und flexibleren symbolischen Kommunikation.
Die zentrale Entwicklungsaufgabe dieser Phase ist die symbolische Kommunikation.
Entwicklungsaufgabe Symbolische Kommunikation
Phase 3: Implizites Sprachwissen
Es handelt sich beim Eintritt in die dritte Phase um den Übergang von vorsprachlichen zu sprachlichen Symbolen. Vorsprachliche Gesten und Vokalisationen werden zunehmend durch die entsprechenden Wörter ersetzt und es wird ein erster produktiver Grundwortschatz erworben. Es werden somit nun sprachliche Repräsentationen aufgebaut, die im Verlauf dieser Phase immer wieder reorganisiert werden.
Zu den zentralen Entwicklungsaufgaben dieser Phase zählen der Auf- und Ausbau des Wortschatzes sowie die Ableitung und Anwendung von Sprachregularitäten.
Entwicklungsaufgabe Auf- und Ausbau des Wortschatzes
Phase des schnellen Worterwerbs im Alter von 16-20 Monaten nach Erreichen einer kritischen Masse von ca. 50 Wörtern (Ausbau des Wortschatzes in mehreren Wochen auf mehr als einhundert Wörter)
Zunächst werden in der Regel eher Substantive erworben, ab einer Wortschatzgröße von einhundert Wörtern lernen die Kinder dann vermehrt Verben und Adjektive hinzu
Erste Mehrwortäußerungen ab einem Alter von etwa 18-20 Monaten
Entwicklungsaufgabe Ableitung und Anwendung von Sprachregularitäten
Ab dem 2. Lebensjahr beginnen Kinder, ihr grammatisches Regelwissen ach in ihrer Sprachproduktion zu nutzen
Anstieg der Äußerungslänge
Erste morphologische Markierungen (z. B. Martins Auto)
Phase 4: Explizites Sprachwissen
Im Alter von etwa 5 bis 6 Jahren erfolgt ein weiterer Repräsentationswechsel. Das zuvor nur implizit vorhandene Sprachwissen des Kindes wird dabei in ein explizites Format überführt, also dem Bewusstsein zugänglich gemacht. Das Kind kann nun also zunehmend bewusst auf sein sprachliches Wissen zurückgreifen und dieses reflektieren.
Literatur
Aktas, M. (2012). Entwicklungsorientierte Sprachdiagnostik und -förderung bei Kindern mit geistiger Behinderung. München: Urban & Fischer
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg