Zitiervorschlag: Brandstetter, R. (2021). „Hinweise zur Hypothesenbildung Verhalten.“ Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:verhalten:hinweise_hypothesenbildung, CC BY-SA 4.0
Im Anschluss an die Erhebung diagnostischer Daten erfolgt die Hypothesenbildung. Als Bindeglied zwischen Diagnostik und Didaktik stellt sie das „Kernstück“ sonderpädagogischen Handelns im Rahmen von ILEB dar. Ziel der Hypothesenbildung ist es, Zusammenhänge zu beschreiben, die erklären, woran es liegen könnte, dass bei einem Kind bzw. einer:einem Jugendlichen Schwierigkeiten, z.B. im sinnentnehmenden Lesen, bestehen.
Folgende Aspekte sind hierbei von besonderer Relevanz:
Im Folgenden sind verschiedene Hinweise zur Hypothesenbildung im Bereich Verhalten aufgeführt. Diese sollen die Nutzer:innen von WSD darin unterstützen, Verhalten besser verstehen und erklären zu können.
Auszugsweise finden Sie im Folgenden die Hypothesenbildung im Bereich Verhalten beschrieben:
Eingangs-Hypothesen werden gebildet, indem das Verhalten des jungen Menschen in Verbindung mit seiner bio-psycho-sozialen Lebenswirklichkeit -hier abgebildet über die Themenfelder und Themen- gebracht wird.
Häufig werden bereits während der Phase der Verhaltensbeschreibung und unter Berücksichtigung erster Informationen von allen am Prozess Beteiligten sogenannte Eingangs-Hypothesen entwickelt.
Die auf die Themenfelder und Themen bezogenen Eingangs-Hypothesen begründen die Auswahl der weiteren diagnostischen Methoden bzw. Verfahren.
Sie strukturieren demnach zunächst den weiteren diagnostischen Prozess.
Zur konkreten Planung der nächsten Schritte muss schriftlich kurz begründet werden, welche Eingangshypothese durch welche passgenaue Form der Informationsgewinnung überprüft bzw. präzisiert werden soll (Operationalisierung).
Ziel der Erhebung aller weiteren diagnostischen Daten ist also die Prüfung,
Die Hypothesen-Prüfung selbst wird unter Bezug auf folgende vier mögliche Zugänge schriftlich festgehalten und diskutiert:
Die genannten vier Zugänge sind grundsätzlich als gleichwertig anzusehen.
Häufig empfiehlt es sich, verschiedene Zugänge zu kombinieren. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, z.B. aus diagnostischen Methoden passgenaue, auf die Eingangs-Hypothesen bezogene Teile auszuwählen (z.B. Subtests, ausgewählte Abschnitte eines Fragebogens, etc.).
Die Eingangs-Hypothesen, die durch die Hypothesen-Prüfung zumindest in Teilen belegt werden können, werden zu Erklär-Hypothesen. Die Belege dazu gilt es mit Verweis auf die Quellen schriftlich festzuhalten. Nicht belegbare oder widerlegte Eingangs-Hypothesen entfallen im weiteren Prozess.
In der Diskussion werden nun alle Erklär-Hypothesen schriftlich oder grafisch gegenübergestellt und miteinander in Zusammenhang gebracht. Mit Bezügen zu Theorie und Forschung wird erörtert, wie gewichtig bzw. bedeutsam die einzelne Erklär-Hypothese im Verstehensprozess in Bezug auf die diagnostische Fragestellung (vgl. Auftrag klären und sonderpädagogische Fragestellung entwickeln) ist.
Vorbemerkungen
Zur Formulierung der Erklär-Hypothesen
Beispiel (auf der Basis einer „gut“ belegten Eingangshypothese):
In Bezug auf das aktuell in den Pausen körperlich aggressiv beobachtbare Verhalten (1) spielt der Erziehungsstil (2) der Eltern eine deutliche Rolle (3) (TF Familiendynamik, 4). Durch das ausschließlich erlebte strafend-grenzüberschreitende Verhalten der Eltern in Konfliktsituationen verfügt Marco bisher über keine weiteren Handlungsstrategien (5).
Es werden hier fünf Elemente miteinander kombiniert:
1. Um welches beschriebene Verhalten geht es?
2. (Mit welchem Unterthema bzw. Thema wird dieses in Zusammenhang gebracht?
3. Gewichtung (gravierend, deutlich, erheblich, insbesondere, überwiegend…)
4. Welches Themenfeld ist berührt?
5. Wie wirkt sich das Unterthema bzw. Thema auf das emotionale Erleben und das gezeigte Verhalten des Kindes konkret aus?
Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg