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wsd:selbststaendiges_leben:theorien:entwicklung_selbststaendigkeit

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wsd:selbststaendiges_leben:theorien:entwicklung_selbststaendigkeit [2025/11/10 20:37] Romina Raunerwsd:selbststaendiges_leben:theorien:entwicklung_selbststaendigkeit [2025/11/10 20:39] (aktuell) Romina Rauner
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 Die Entwicklung kindlicher Selbstständigkeit ist ein vielschichtiger Prozess, der von persönlichen Voraussetzungen, sozialen Beziehungen und den Bedingungen der Umwelt beeinflusst wird. Schon in den ersten Lebensjahren zeigen Kinder den Wunsch, Dinge selbst zu tun, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Dieses Bedürfnis ist Ausdruck ihrer Entwicklung und eng verknüpft mit dem Erleben von Selbstwirksamkeit, Identität und sozialer Handlungsfähigkeit. Eltern, pädagogische Fachkräfte und andere Bezugspersonen begleiten diesen Weg, indem sie Räume zum Ausprobieren schaffen, Sicherheit geben und die Eigenständigkeit des Kindes ernst nehmen (vgl. Bowlby, 2024). Die Entwicklung kindlicher Selbstständigkeit ist ein vielschichtiger Prozess, der von persönlichen Voraussetzungen, sozialen Beziehungen und den Bedingungen der Umwelt beeinflusst wird. Schon in den ersten Lebensjahren zeigen Kinder den Wunsch, Dinge selbst zu tun, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Dieses Bedürfnis ist Ausdruck ihrer Entwicklung und eng verknüpft mit dem Erleben von Selbstwirksamkeit, Identität und sozialer Handlungsfähigkeit. Eltern, pädagogische Fachkräfte und andere Bezugspersonen begleiten diesen Weg, indem sie Räume zum Ausprobieren schaffen, Sicherheit geben und die Eigenständigkeit des Kindes ernst nehmen (vgl. Bowlby, 2024).
  
-Selbstständigkeit lässt sich allerdings nicht als konkretes Erziehungsziel „benennen“. Selbstständigkeit wird als Kompetenz vielmehr aus günstigen Rahmenbedingungen, verlässlichen Beziehungen und Gelegenheiten zur Mitbestimmung erwor-ben. Dabei gilt es stets, die individuellen Möglichkeiten und Grenzen eines Kindes im Blick zu behalten.+Selbstständigkeit lässt sich allerdings nicht als konkretes Erziehungsziel „benennen“. Selbstständigkeit wird als Kompetenz vielmehr aus günstigen Rahmenbedingungen, verlässlichen Beziehungen und Gelegenheiten zur Mitbestimmung erworben. Dabei gilt es stets, die individuellen Möglichkeiten und Grenzen eines Kindes im Blick zu behalten.
  
 ==== Bindung als Entwicklungsbasis ==== ==== Bindung als Entwicklungsbasis ====
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 ==== Ich-Entwicklung und Selbstkonzept ==== ==== Ich-Entwicklung und Selbstkonzept ====
 Schon im zweiten Lebensjahr beginnt das Kind zu begreifen, dass es ein eigenes „Ich“ ist – handelnd, wirksam, unterscheidbar von anderen. Es erlebt: „Ich kann etwas bewirken.“ Damit legt es den Grundstein für sein Selbstwirksamkeitserleben. Schon im zweiten Lebensjahr beginnt das Kind zu begreifen, dass es ein eigenes „Ich“ ist – handelnd, wirksam, unterscheidbar von anderen. Es erlebt: „Ich kann etwas bewirken.“ Damit legt es den Grundstein für sein Selbstwirksamkeitserleben.
-Zwischen drei und fünf Jahren wird dieses Selbstbild differenzierter. Kinder vergleichen sich mit anderen, erkennen Stärken und Schwächen und beginnen, über ihr Verhalten nachzudenken. Rückmeldungen von Erwachsenen wirken in dieser Zeit besonders prägend. Eine unterstützende, bewertungsfreie Begleitung stärkt ist we-sentlich um das Selbstwertgefühl zu fördern.+Zwischen drei und fünf Jahren wird dieses Selbstbild differenzierter. Kinder vergleichen sich mit anderen, erkennen Stärken und Schwächen und beginnen, über ihr Verhalten nachzudenken. Rückmeldungen von Erwachsenen wirken in dieser Zeit besonders prägend. Eine unterstützende, bewertungsfreie Begleitung stärkt ist wesentlich um das Selbstwertgefühl zu fördern.
  
 Mit dem Schuleintritt weiten sich die sozialen Bezüge aus. Kinder lernen, ihre Sichtweise mit der anderer abzugleichen und sich in sozialen Rollen zu orientieren – eine Entwicklungsaufgabe, die Erikson (1973) als zentral für diese Phase beschreibt. Mit dem Schuleintritt weiten sich die sozialen Bezüge aus. Kinder lernen, ihre Sichtweise mit der anderer abzugleichen und sich in sozialen Rollen zu orientieren – eine Entwicklungsaufgabe, die Erikson (1973) als zentral für diese Phase beschreibt.
  
 ==== Innere und äußere Dimensionen von Selbstständigkeit ==== ==== Innere und äußere Dimensionen von Selbstständigkeit ====
-In der Praxis wird häufig zwischen innerer und äußerer Selbstständigkeit unterschieden. Die innere Dimension betrifft das Erleben von Autonomie und Selbstvertrauen, die äußere zeigt sich im beobachtbaren Handeln – etwa beim selbstständi-gen Anziehen oder Organisieren von Aufgaben. Beide Ebenen hängen eng zusammen und sollten gemeinsam betrachtet werden.+In der Praxis wird häufig zwischen innerer und äußerer Selbstständigkeit unterschieden. Die innere Dimension betrifft das Erleben von Autonomie und Selbstvertrauen, die äußere zeigt sich im beobachtbaren Handeln – etwa beim selbstständigen Anziehen oder Organisieren von Aufgaben. Beide Ebenen hängen eng zusammen und sollten gemeinsam betrachtet werden.
 Driescher (2007) betont, dass Kinder je nach Kontext unterschiedliche Grade an Selbstständigkeit zeigen können. Ein Kind, das zu Hause noch Unterstützung braucht, kann in der Kita bereits erstaunlich selbstorganisiert agieren. Pädagogisches Handeln sollte daher individuell ansetzen und nicht auf standardisierte Leistungsmaßstäbe verengt werden. Driescher (2007) betont, dass Kinder je nach Kontext unterschiedliche Grade an Selbstständigkeit zeigen können. Ein Kind, das zu Hause noch Unterstützung braucht, kann in der Kita bereits erstaunlich selbstorganisiert agieren. Pädagogisches Handeln sollte daher individuell ansetzen und nicht auf standardisierte Leistungsmaßstäbe verengt werden.
 Gerade bei Kindern mit Behinderung besteht die Gefahr, ihnen zu wenig zuzutrauen – oder sie zu stark zu entlasten. Entscheidend ist eine Förderung, die Eigeninitiative ernst nimmt und unterstützende Maßnahmen passgenau integriert. Gerade bei Kindern mit Behinderung besteht die Gefahr, ihnen zu wenig zuzutrauen – oder sie zu stark zu entlasten. Entscheidend ist eine Förderung, die Eigeninitiative ernst nimmt und unterstützende Maßnahmen passgenau integriert.
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-Zitiervorschlag: Grafik „Entwicklung zu Selbstständigkeit aus eigenem Antrieb“ von Stähle, A./Schulte, T. (2025) in Anlehnung an Butzmann, E. (2021). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:selbststaendiges_leben:theorien:entwicklung_selbststaendigkeit +**Zitiervorschlag:** Grafik „Entwicklung zu Selbstständigkeit aus eigenem Antrieb“ von Stähle, A./Schulte, T. (2025) in Anlehnung an Butzmann, E. (2021). Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:selbststaendiges_leben:theorien:entwicklung_selbststaendigkeit
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 +Das Modell lässt sich auch auf Kinder mit Unterstützungsbedarf anwenden, wenn entwicklungspsychologische Prinzipien mit individuell abgestimmten pädagogischen Strategien verknüpft werden. Selbstständigkeit sollte dabei nicht als Normerfüllung verstanden werden, sondern als Ausdruck einer gelungenen Begegnung des Kindes mit sich selbst und seiner Umwelt.
  
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 ===== Literatur ===== ===== Literatur =====
  
-Lamers,W./ Musenberg, O./ SansourS. (Hrsg.) (2021). Qualitätsoffensive - Teilhabe von erwachsenen Menschen mit schwerer Behinderung. Grundlagen für die Arbeit in Praxis, Aus- und WeiterbildungBielefeldAthena.+BowlbyJ(2024)Bindung als sichere Basis. München: Ernst Reinhardt. 
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 +ButzmannE. (2020). Sozial-kognitive Entwicklung und ErziehungGießenPsychosozial Verlag.
  
-LindmeierB./ Lindmeier, C. (2012). Pädagogik bei Behinderung und BenachteiligungBand 1: GrundlagenStuttgartKohlhammer.+ButzmannE. (2021). Entwicklung der kindlichen SelbstständigkeitFachbeitrag auf erzieherin.de. https://www.erzieherin.de
  
-LindmeierB./Meyer, D.(2020). Empowerment, Selbstbestimmung, Teilhabe – Politische Begriffe und ihre Bedeutung für die inklusive politische BildungS.38-56 inMeyer, D./Hilpert, W./Lindmeier, B. (Hrsg.). Grundlagen und Praxis inklusiver politischer Bildung.Bonn+KlaußT. (2012). Identität bei Menschen mit geistiger BehinderungLiebenauStiftung Liebenau.
  
-KlaußT. (2007). Selbstbestimmung als Leitidee der Pädagogik für Menschen mit geistiger BehinderungAbgerufen von: https://www.ph-heidelberg.de/fileadmin/user_upload/wp/klauss/Selbstbestimmung.pdf (04.11.2024)+ReindersH. (2002). Entwicklungsaufgaben – Theoretische Positionen zu einem KlassikerIn HMerkens & JZinnecker (Hrsg.), Jahrbuch Jugendforschung (S. 11–38). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  
-WeingärtnerC. (2013). Schwer geistig behindert und selbstbestimmt. Eine Orientierung für die PraxisFreiburg im BreisgauLambertus.+WölflE. (2022). Sensible Schule: Emotional und sozial belastete Kinder verstehen und fördernWeinheimBeltz.
  
-Weiß, H. (2000). Selbstbestimmung und Empowerment. Kritische Anmerkungen zu ihrer oftmaligen Gleichsetzung im sonderpädagogischen Diskurs. In: Färber, H.P./ Lipps, W./ Seyfarth, T. (Hrsg.). Wege zum selbstbestimmten Leben trotz Behinderung. Tübingen: Attempto, 119–143. 
  
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 Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg
wsd/selbststaendiges_leben/theorien/entwicklung_selbststaendigkeit.txt · Zuletzt geändert: 2025/11/10 20:39 von Romina Rauner