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wsd:lesen_schreiben:guenthner

Modell zum Erweiterten Schreiben nach Günthner

Zitiervorschlag: Frindt, I., Gischas, B. (2021). „Das Modell des erweiterten Schreibbegriffs nach Günthner“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:guenthner, CC BY-SA 4.0

Der erweiterte Schreibbegriff umfasst alle grafischen Möglichkeiten, mit denen sich ein Mensch verständlich machen kann. Folglich umfasst der Begriff des Schreibens nach Günthner (ebd., 82ff) die folgenden Handlungen:

1. Ungeordnetes Kritzeln

In diesem Stadium werden ohne zweckvolle Absicht aus Freude und Erstaunen über die eigenen Fähigkeiten ungeordnete Hieb-, Schwing- und Kreisspuren auf einer Oberfläche hinterlassen. Mit der Zeit wird allmählich eine Verknüpfung zwischen der Tätigkeit und dem entsprechenden Produkt hergestellt. Die Symbol- und Kommunikationsfunktion werden nicht beachtet.

2. Geordnetes nachahmendes Kritzeln

Es wird bewusst und absichtsvoll die Schreibhandlung von Vorbildern nachgeahmt und dabei bereits die Linearität, Horizontalität und Regelmäßigkeit der Schrift beachtet und imitiert. Dieses Schreiben kann bereits kommunikativen Charakter annehmen. Bedeutungen werden ausgedacht und sollen von Erwachsenen aus den Kritzeleien herausgelesen werden.

3. Schemazeichnen

„Die grafischen Grundformen […] entwickeln sich und werden vom Kind miteinander kombiniert“ (ebd., 85). Erste Zeichnungen und Bilder entstehen zum Selbstzweck oder aber, um sich mitzuteilen. Fast alle Menschen in unserem Kulturkreis beginnen mit der Darstellung von „Kopffüßlern“, Fahrzeugen, Tieren und Häusern (ebd., 86).

4. Erste vorphonetische Buchstabenschrift

Aus Spaß und zum Zweck der Mitteilung werden Buchstaben, buchstabenähnliche Gebilde und Ziffern für Außenstehende scheinbar willkürlich aneinandergereiht und eventuell mit Zeichnungen kombiniert. Die Phonem-Graphem-Korrespondenz ist noch nicht bewusst, wohl aber, dass über Buchstaben Bedeutungsinhalte vermittelt werden können. Das Schreibgerät wird mit dem Dreifingergriff gehalten.

5. Lautschrift

Die Phonem-Graphem-Korrespondenz ist bewusst und wird bei allen Wörtern angewandt. Da die Schriftsprache die Lautsprache jedoch nicht nur nach dem phonetischen Prinzip abbildet, treten noch viele Schreibfehler auf. Die Feinmotorik ist ausgebildet für intentionale, problemlose Bewegungsabläufe.

6. Schreiben mit vorgefertigten Bild- und Wortelementen

Die bisherige Darstellung war stark fokussiert auf graphomotorische Leistungen. Mit dem Schreiben anhand vorgefertigter Wort- und Bildkarten betont Günthner nochmals, dass prinzipiell alle Arten von hinterlassenen Spuren auf eine Schreibhandlung zurückgehen. Vorgefertigte Bild- und Wortelemente eignen sich vor allem für Schüler:innen mit graphomotorischen Schwierigkeiten, um sich relativ rasch durch Schreiben auszudrücken. Das Verfahren hat daher in erster Linie eine didaktische Bedeutung für den Unterricht (vgl. auch Günthner 1995).


Literatur

Günther, K. B. (1995). Ein Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien. In Balhorn, H.& Brügelmann, H. (Hrsg.), Rätsel des Schriftspracherwerbs: Neue Sichtweisen aus der Forschung (S. 98-121). Lengwil: Libelle.

Günthner, W. (1999). Lesen und Schreiben an der Schule für Geistigbehinderte: Grundlagen und Übungsvorschläge zum erweiterten Lese- und Schreibbegriff. Dortmund: Verlag modernes lernen.

Thamm, J. (1999). Fachdidaktische Grundlagen. In Schurad, H., Schumacher W., Stabenau, I. & Thamm, J. (Hrsg.), Curriculum Lesen und Schreiben für den Unterricht an Schulen für Geistig- und Körperbehinderte (S. 43-69). Oberhausen: Athena


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/lesen_schreiben/guenthner.txt · Zuletzt geändert: 2023/02/02 08:21 von Romina Rauner