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Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien nach Günther

Zitiervorschlag: Stecher, M., Rauner, R., Waidmann, A. et al. (2021). „Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien nach Günther“. Abgerufen von URL: https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:guenther, CC BY-SA 4.0

Wie entwickeln sich Lesen und Schreiben?

Die Entwicklung der Schriftsprache erfolgt nach Günther (vgl. Steinbrink 2014) in folgenden Stufen:

  • präliteral-symbolische Stufe
  • logographemische Stufe
  • alphabetische Stufe
  • orthographische Stufe
  • integrativ-automatisierte Stufe

Jede Entwicklungsstufe zeichnet sich durch das Anwenden bestimmter Strategien beim Lesen und Schreiben aus. Dabei ist bei allen Phasen der Entwicklung zu beachten, dass die Begegnung mit Punktschrift allen blinden Kindern erschwert ist. Während sehenden Kindern Schrift, Symbole, Bilder… nebenbei „ins Auge fallen“, benötigen blinde Kinder den Hautkontakt um Bilder, Symbole und Schriftzeichen zu entdecken. Dies erfordert eine anregungsreiche Umgebung, in der Brailleschrift zu finden ist und Schriftbegegnung angeregt und begleitet wird. Auch das Erkennen taktiler Bilder, Symbole und Reliefabbildungen stellt eine höhere Anforderung dar und muss pädagogisch begleitet werden.

Die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen sind fließend und Strategien, die in vorherigen Stufen im Zentrum der Entwicklung standen, können durchaus auch in darauffolgenden Stufen noch gelegentlich gezeigt werden. Genauso kann ein Kind ab und zu bereits eine Strategie aus einer späteren Stufe anwenden, ohne dass dies zwangsläufig heißt, dass das Kind diese Stufe bereits erreicht hat.

Die Entwicklungsstufen gelten gleichermaßen für Kinder und Jugendliche, die in Deutscher Gebärdensprache (DGS) kommunizieren. Konkretisierungen sind in den entsprechenden Stufen ergänzt.


Präliteral-symbolische Stufe

Auf dieser Stufe gelingt Kindern das Bilderlesen, das Lesen und Schreiben von ikonischen Zeichen sowie das Lesen von Symbolen. Schritte in Richtung Schrift sind das Malen von Bildern sowie das Kritzeln bzw. das Als-Ob-Schreiben und das Als-Ob-Vorlesen.


Logographemische Stufe

Auf dieser Stufe erkennt das Kind visuelle Merkmale eines Wortes, einzelne Grapheme können benannt werden. Die Logographemische Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind Wörter mit Hilfe einzelner hervorstechender Merkmale erkennt. Gleichzeitig beginnt das Kind den eigenen Namen und andere ihnen wichtige Wörter zu malen. Auf der Logographemischen Stufe findet noch kein Lesen „im engeren Sinne“ statt. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Alphabetische Stufe

Kann z.B. bei Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigung übersprungen werden. Das Kind bemerkt auf dieser Stufe, dass die Anwendung der logographemischen Strategie häufig zu fehlerhaften Ergebnissen führt und beginnt deshalb Schritt für Schritt, sich die Graphem-Phonem-Korrespondenzen zu erarbeiten - synthetisierendes Lesen wird möglich. Der graphomotorisch aktiv beherrschte Zeichenvorrat wächst. Beim Schreiben überwiegt die phonetische Schreibweise nach der Strategie „Schreib wie du sprichst“. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Orthographische Stufe

Auf der orthographischen Stufe werden bekannte Wörter durch Abruf aus dem Langzeitgedächtnis direkt erkannt. Die Lesegeschwindigkeit nimmt zu. Das Lesen und Schreiben ist nun nicht mehr phonologisch, vielmehr wird die Morphemkonstanz beachtet. Unter Nutzung der orthographischen Strategie können so auch nicht-lautgetreue Wörter problemlos gelesen und geschrieben werden. Bei DGS-orientierten Kindern und Jugendlichen gibt es farbig-kursiv hervorgehobene Konkretisierungen in der Arbeitshilfe.


Integrativ-automatisierte Stufe

Auf dieser Stufe automatisiert und verfeinert das Kind seine ganzheitlichen Lese- und Schreibstrategien zunächst auf der Ebene von Silben, später dann auf Wortebene. Durch die Anwendung von Lesestrategien kann z. B. die Zugriffszeit auf das Lexikon extrem verkürzt werden, wodurch sich auch der Leseprozess beschleunigt. Durch die fortschreitende Automatisierung kann sich das Kind zunehmend semantischen und prosodischen Aspekten beim Lesen widmen. Beim Schreiben gewinnt der kommunikative Aspekt die tragende Bedeutung. Das Kind beachtet zunehmend Aspekte der Satz- und Textebene (z.B. Kommasetzung).


Literatur

Günther, K-B. (1986). Ein Stufenmodell der Entwicklung kindlicher Lese- und Schreibstrategien. In: Brügelmann, H. (Hrsg.), ABC und Schriftsprache: Rätsel für Kinder, Lehrer und Forscher (32-54). Konstanz: Faude.


Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

wsd/lesen_schreiben/guenther.txt · Zuletzt geändert: 2023/02/02 08:16 von Romina Rauner