Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen [2022/01/21 13:14] Albrecht adminwsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen [2022/03/23 09:36] Albrecht admin
Zeile 8: Zeile 8:
  
 Bezüglich des erweiterten Lesebegriffs werden aktuell zwei Modelle diskutiert, die im Folgenden erläutert und einer kritischen Reflexion unterzogen werden: Bezüglich des erweiterten Lesebegriffs werden aktuell zwei Modelle diskutiert, die im Folgenden erläutert und einer kritischen Reflexion unterzogen werden:
-  * Das **Modell der Lesearten** nach Dönges spricht nicht von abgeschlossenen Lesestufen, sondern spricht von gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Lesearten.  + 
-  * Das **Modell der Lesestufen** nach Koch geht von der Grundannahme aus, dass das erweiterte Lesen als hierarchische Entwicklung zu verstehen ist. +  * Das **Modell der Lesearten**  nach Dönges spricht nicht von abgeschlossenen Lesestufen, sondern spricht von gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Lesearten. 
 +  * Das **Modell der Lesestufen**  nach Koch geht von der Grundannahme aus, dass das erweiterte Lesen als hierarchische Entwicklung zu verstehen ist.
  
 ---- ----
  
 ===== Modell der Lesearten nach Dönges ===== ===== Modell der Lesearten nach Dönges =====
-  + 
-Statt von hierarchisch aufbauenden Lesestufen (vgl. Modell der Lesestufen nach Koch) geht Dönges in seinem Modell von gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Lesearten aus. Weder Bilderlesen noch das Lesen von Piktogrammen oder Logographemen wird in diesem Modell als ein vorübergehendes Stadium abgeschlossen. Die Lesearten sind selbst dann noch von Bedeutung, wenn eine Schülerin oder ein Schüler bereits das Lesen im engeren Sinne beherrscht und kommen in Abhängigkeit von situativen Erfordernissen immer wieder zum Einsatz (vgl. Dönges & Scholz 2021). +Statt von hierarchisch aufbauenden Lesestufen (vgl. Modell der Lesestufen nach Koch) geht Dönges in seinem Modell von gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Lesearten aus. Weder Bilderlesen noch das Lesen von Piktogrammen oder Logographemen wird in diesem Modell als ein vorübergehendes Stadium abgeschlossen. Die Lesearten sind selbst dann noch von Bedeutung, wenn eine Schülerin oder ein Schüler bereits das Lesen im engeren Sinne beherrscht und kommen in Abhängigkeit von situativen Erfordernissen immer wieder zum Einsatz (vgl. Dönges & Scholz 2021).
  
 ---- ----
Zeile 21: Zeile 22:
 ==== Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens ==== ==== Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens ====
  
-{{ :wsd:lesen_schreiben:lesearten_doenges.png?nolink&800 |Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens}}+{{  :wsd:lesen_schreiben:lesearten_doenges.png?nolink&800  |Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens}}
  
-**Zitiervorschlag**: Grafik "Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens" von Albrecht, C. (2022) nach Dönges, C. & Scholz, M. (2021). Abgerufen von URL: [[https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen|https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen]], [[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode|CC BY-SA 4.0]]+**Zitiervorschlag**: Grafik "Gleichberechtigte Lesearten des erweiterten Lesens" von Albrecht, C. (2022) nach Dönges, C. (2007). Abgerufen von URL: [[https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen|https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen]], [[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode|CC BY-SA 4.0]]
  
 ---- ----
Zeile 29: Zeile 30:
 ==== Kritische Betrachtung des Modells der Lesearten nach Dönges ==== ==== Kritische Betrachtung des Modells der Lesearten nach Dönges ====
  
-Der Begriff des Situationslesens als Bestandteil des Modells der Lesearten wird von unterschiedlichen Autoren kritisch betrachtet. Thamm (1999) argumentierte in diesem Zusammenhang mit zeichentheoretischen Überlegungen, da für das Lesen einer Situation keine Leistungen des Dekodierens erforderlich sind. Auch für Ratz (2013) ist das Situationslesen zu weit entfernt von den Anforderungen des Lesens, als dass es sinnvoll in ein Entwicklungsmodell des Lesens integriert werden könnte. +Der Begriff des Situationslesens als Bestandteil des Modells der Lesearten wird von unterschiedlichen Autoren kritisch betrachtet. Thamm (1999) argumentierte in diesem Zusammenhang mit zeichentheoretischen Überlegungen, da für das Lesen einer Situation keine Leistungen des Dekodierens erforderlich sind. Auch für Ratz (2013) ist das Situationslesen zu weit entfernt von den Anforderungen des Lesens, als dass es sinnvoll in ein Entwicklungsmodell des Lesens integriert werden könnte.
  
 ---- ----
Zeile 41: Zeile 42:
 ==== Stufenmodell des erweiterten Leseerwerbs ==== ==== Stufenmodell des erweiterten Leseerwerbs ====
  
- +{{  :wsd:lesen_schreiben:stufenmodell_des_erweiterten_lesens_3d.png?nolink&800  |Stufen des erweiterten Leseerwerbs}}
-{{ :wsd:lesen_schreiben:stufenmodell_des_erweiterten_lesens_3d.png?nolink&800 |Stufen des erweiterten Leseerwerbs}}+
  
 {{tablelayout?colwidth="400px,400px"&float=center}} {{tablelayout?colwidth="400px,400px"&float=center}}
Zeile 51: Zeile 51:
 |4. Buchstabenkenntnis|8. Leseverständnis auf Textebene| |4. Buchstabenkenntnis|8. Leseverständnis auf Textebene|
  
-**Zitiervorschlag**: Grafik "Stufenmodell des erweiterten Leseerwerbs" von Albrecht, C. (2022) nach Euker, N. & Koch, A. (2017). Abgerufen von URL: [[https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen|https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen]], [[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode|CC BY-SA 4.0]]+**Zitiervorschlag**: Grafik "Stufenmodell des erweiterten Leseerwerbs" von Albrecht, C. (2022) nach Euker, N. & Koch, A. in Kuhl, J. & Euker, N. (Hrsg.). (2016). Abgerufen von URL: [[https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen|https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:lesen_schreiben:erweitertes_lesen]], [[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode|CC BY-SA 4.0]]
  
 ---- ----
  
 ==== Lesen von gegenstandsähnlichen (ikonischen) Abbildungen ==== ==== Lesen von gegenstandsähnlichen (ikonischen) Abbildungen ====
-  + 
-Hierbei handelt es sich sowohl um Bildzeichen mit ikonografischem Charakter (auch fotografische Abbildungen), als auch um ikonische Zeichen.  +Hierbei handelt es sich sowohl um Bildzeichen mit ikonografischem Charakter (auch fotografische Abbildungen), als auch um ikonische Zeichen. Diese haben ein gewisses Maß an Ähnlichkeit mit der bezeichneten Sache und stehen mit dieser unmittelbar wahrnehmbar in Beziehung. Der Grad der Ähnlichkeit kann variieren. Koch unterscheidet daher innerhalb der Stufe des Lesens von gegenstandsähnlichen Abbildungen zwischen dem Lesen von Bildern und anderen ikonischen Zeichen, obwohl hier „nur marginal steigende und schwer voneinander abzugrenzende Anforderungen bestehen“ (Ratz 2013).
-Diese haben ein gewisses Maß an Ähnlichkeit mit der bezeichneten Sache und stehen mit dieser unmittelbar wahrnehmbar in Beziehung. Der Grad der Ähnlichkeit kann variieren. Koch unterscheidet daher innerhalb der Stufe des Lesens von gegenstandsähnlichen Abbildungen zwischen dem Lesen von Bildern und anderen ikonischen Zeichen, obwohl hier „nur marginal steigende und schwer voneinander abzugrenzende Anforderungen bestehen“ (Ratz 2013). +
  
 ---- ----
Zeile 64: Zeile 63:
 ==== Lesen von Symbolen und Ganzwörtern ==== ==== Lesen von Symbolen und Ganzwörtern ====
  
-Symbole sind willkürlich festgelegte Zeichen ohne Ähnlichkeit mit der bezeichneten Sache. Als eine Form des Symbollesens sieht Koch auch das logographische Lesen. Hier wird das Wort rein visuell aufgrund optischer Merkmale erkannt. Das Lesen von Symbolen stellt im Vergleich zum Lesen von gegenstandsähnlichen Abbildungen eine deutlich höhere Anforderung dar. Ungelöst bleibt die zeichentheoretische Fragestellung, wo genau die Grenze zwischen ikonischer und symbolischer Darstellung verläuft. +Symbole sind willkürlich festgelegte Zeichen ohne Ähnlichkeit mit der bezeichneten Sache. Als eine Form des Symbollesens sieht Koch auch das logographische Lesen. Hier wird das Wort rein visuell aufgrund optischer Merkmale erkannt. Das Lesen von Symbolen stellt im Vergleich zum Lesen von gegenstandsähnlichen Abbildungen eine deutlich höhere Anforderung dar. Ungelöst bleibt die zeichentheoretische Fragestellung, wo genau die Grenze zwischen ikonischer und symbolischer Darstellung verläuft.
  
 ---- ----
Zeile 70: Zeile 69:
 ==== Kritische Betrachtung des Modells der Lesestufen nach Koch ==== ==== Kritische Betrachtung des Modells der Lesestufen nach Koch ====
  
-Stufenmodelle suggerieren eine aufeinander aufbauende Logik bzw. eine Entwicklung, bei der ein Stadium durchlaufen wird, um darauf aufbauend in das nächsthöhere Stadium einzutreten. Dies kann allerdings im Hinblick auf die sogenannten Stufen des erweiterten Lesens nicht gelten. Weder Bilderlesen noch das Lesen von Bildzeichen, Piktogrammen oder Logographemen wird in diesem Sinne als ein vorübergehendes Stadium abgeschlossen – diese unterschiedlichen Lesearten sind nach Dönges (2007) selbst dann noch von Bedeutung, wenn eine Schülerin oder Schüler bereits das Lesen im engeren Sinne beherrscht und kommen in Abhängigkeit von situativen Erfordernissen zum Einsatz – noch bilden Lesefähigkeiten im weiteren Sinn eine Voraussetzung für das Lesen im engeren Sinn (vgl. Dönges &Scholz 2021). Die Stufe des Ganzwortlesens ist Ratz zu Folge kritisch zu betrachten, da der Begriff aus einer vergangenen Diskussion in der Didaktik des Schriftspracherwerbs stammt und nach heutigem Forschungsstand weder kognitionstheoretisch noch empirisch belegt ist (vgl. Ratz 2013). +Stufenmodelle suggerieren eine aufeinander aufbauende Logik bzw. eine Entwicklung, bei der ein Stadium durchlaufen wird, um darauf aufbauend in das nächsthöhere Stadium einzutreten. Dies kann allerdings im Hinblick auf die sogenannten Stufen des erweiterten Lesens nicht gelten. Weder Bilderlesen noch das Lesen von Bildzeichen, Piktogrammen oder Logographemen wird in diesem Sinne als ein vorübergehendes Stadium abgeschlossen – diese unterschiedlichen Lesearten sind nach Dönges (2007) selbst dann noch von Bedeutung, wenn eine Schülerin oder Schüler bereits das Lesen im engeren Sinne beherrscht und kommen in Abhängigkeit von situativen Erfordernissen zum Einsatz – noch bilden Lesefähigkeiten im weiteren Sinn eine Voraussetzung für das Lesen im engeren Sinn (vgl. Dönges &Scholz 2021). Die Stufe des Ganzwortlesens ist Ratz zu Folge kritisch zu betrachten, da der Begriff aus einer vergangenen Diskussion in der Didaktik des Schriftspracherwerbs stammt und nach heutigem Forschungsstand weder kognitionstheoretisch noch empirisch belegt ist (vgl. Ratz 2013).
  
 ---- ----
Zeile 76: Zeile 75:
 ==== Literatur ==== ==== Literatur ====
  
-Dönges, C. & Scholz, M. (2021). Stufenvorstellungen als unzulängliche Basis in der Diagnostik zur erweiterten Lesefähigkeit. Zeitschrift für Heilpädagogik, 1-2021, 15-22. +Dönges, C. (2007). Lesen- und Schreibenlernen an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung – Modifikation zum erweiterten Lesebegriff. Zeitschrift für Heilpädagogik 58 (9), 338–344. 
 + 
 +Dönges, C. & Scholz, M. (2021). Stufenvorstellungen als unzulängliche Basis in der Diagnostik zur erweiterten Lesefähigkeit. Zeitschrift für Heilpädagogik, 1-2021, 15-22.
  
 Koch, A. (2008). Die Kulturtechnik Lesen im Unterricht für Schüler mit geistiger Behinderung: //Lesen lernen ohne Phonologische Bewusstheit?//. Gießen: Justus-Liebig-Universität Gießen. Verfügbar unter: [[http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6247/|http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6247/]]. Koch, A. (2008). Die Kulturtechnik Lesen im Unterricht für Schüler mit geistiger Behinderung: //Lesen lernen ohne Phonologische Bewusstheit?//. Gießen: Justus-Liebig-Universität Gießen. Verfügbar unter: [[http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6247/|http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6247/]].
Zeile 89: Zeile 90:
  
 Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg
 +
  
wsd/lesen_schreiben/erweitertes_lesen.txt · Zuletzt geändert: 2023/02/02 08:17 von Romina Rauner