Zitiervorschlag: Gingelmaier, S., Brandstetter, R., Annecke, L. (2020). „Lerntheorie/ Behaviorismus“. Abgerufen von URL https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:verhalten:theorien_verhalten:lerntheorie_behaviorismus, CC BY-SA 4.0
Kurzbeschreibung | In der Lerntheorie und der damit in Zusammenhang zu sehenden Verhaltenstherapie wird der Mensch seit einiger Zeit als ein sich selbst steuerndes, aktiv und planvoll handelndes Individuum aufgefasst, das zwar von der Umwelt beeinflusst wird, aber selbst imstande ist, diese zu verändern und zu beeinflussen (kognitive Wende). Psychische Störungen entstehen durch Lernprozesse, aufrechterhaltende situative Bedingungen und kognitive Verzerrungen. Im klassischen (und überholten) Verständnis ist das Innenleben des Menschen eine „black-box“, deswegen gab es eine Konzentration auf das (beobachtbare) Verhalten (Konditionierung). Schon seit längerem liegt der Hauptfokus aber auf den individuellen Kognitionen. Seit den 2010er Jahren gab es auch eine Integration von Emotionen. |
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Ziel | Störendes Verhalten (und seine Bedingungen) sollen verlernt werden. |
Entwicklung der Theorie | Von der black box zur Kognition. |
Ausformungen | - Verhaltensanalyse (Skinner), - Verhaltenstherapie (Eysenck), - Systematische Desensibilisierung (Wolpe), - Reiz-Konfrontationstherapie („Exposure“, Marks), - Rational-Emotive Therapie (Ellis), - Multimodale Verhaltenstherapie (A. Lazarus), Kognitive Verhaltenstherapie (Beck/ Meichbaum), - Schematherapie (Young) |
Bedeutung für die Sonderpädagogik | Über konfrontative, operante und kognitive Strategien und Techniken sollen Schüler:innen durch Einsicht ihr Fehlverhalten verändern / verlernen. |
Konkret Beispiele | Konfrontation: Heranführen und Aussetzen Operant: Belohnung (Verstärkerpläne, Tokensysteme), Bestrafung Kognitiv: Fragebögen, Regeln, Verträge, Standardisierte Programme |
Grenzen | Die Grenzen liegen insbesondere darin, dass in der (alten) Idee der Black Box nur Reiz und Reaktion beachtet wurden. Jegliches Verstehen von Verhalten wurde als spekulativ abgetan. Pädagogisch konnten Kinder und Jugendliche eigentlich nur konditioniert werden, Verhaltensauffälligkeiten waren Lernfehler und das Verhalten musste umgelernt werden. Die Psyche spielte keine Rolle. Obwohl diese reine Fokussierung auf Konditionierung in der Lerntheorie überholt ist, taucht sie teilweise in der pädagogischen Praxis noch immer auf. Der Hauptfokus einer modernen kognitiv-behavioralen Lerntheorie sind (wie der Name schon sagt) die Kognitionen und deren Kontrolltheorien. Diese sind gerade im schulischen Kontext sehr hilfreich, allerdings muss gesagt werden, dass bei Kindern und Jugendlichen, die auffälliges Verhalten zeigen, die affektiv-dynamischen, unbewussten und systemischen Anteile eine große Rolle spielen. Es bleibt aber noch immer der Versuch, Verhalten positiv zu beeinflussen, zu modifizieren um zu einer (neuen, anderen) kognitiven Erkenntnis zu kommen. |
Diagnostische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Theorie | - Gibt es im Verhalten des jungen Menschen Anteile, die über einen Lernprozess (z.B. Lernen am Modell) gelernt wurden? - Gibt es automatisierte Gedanken, „Denkfehler“ oder kognitive Verzerrungen, die zu auffälligem Verhalten führen. Gibt es aufrechterhaltende Faktoren? - Welche (kognitiven) Strategien können helfen, das Problem zu lösen |
Konkrete diagnostische Methoden im Zusammenhang mit der Theorie | - Verhaltensanalyse - Analyse der Bewältigungsstrategien - Fragebögen |
Impulse für die Gestaltung individueller Bildungsangebote | Akute Interventionen - Konfrontation: Heranführen und Aussetzen - Operant: Belohnung (Verstärkerpläne, Tokensysteme), Bestrafung - Kognitiv: Strategien, Fragebögen, Regeln, Verträge - Standardisierte Programme - Hinweise und Ideensammlung zum situativen Handeln Längerfristige Interventionen - Strukturierende auf das Verhalten abzielende Techniken z.B. aus dem Classroommanagement Formelle Trainings - Verhaltenstraining im Kindergarten - Das neue Marburger Verhaltenstraining - Verhaltenstraining für Schulanfänger - Verhaltenstraining in der Grundschule |
Kriz, J. (2014). Grundkonzepte der Psychotherapie. Weinheim: Beltz.
Layout und Gestaltung: Philipp Staubitz, Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Freiburg, Abtl. Sonderpädagogik