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Angststörungen F40-F43

Zitiervorschlag: Rieß, A. (2020). „Angststörungen“. Abgerufen von URL https://wsd-bw.de/doku.php?id=wsd:werkzeug:verhalten:themen:themenfeld5:d02, CC BY-SA 4.0

ICD 10 bzw. 11- F40.0 Agoraphobie: übermäßige Angst vor freien Plätzen
- F40.1 soziale Phobie: übermäßige Angst vor sozialen Situationen
- F40.2 spezifische Phobien: übermäßige Angst vor bestimmten Objekten (z.B. Tiere) oder Situationen (z.B. Höhe)
- F41.0 Panikstörungen: wiederholte Angstattacken, die zunächst unvorhersehbar und plötzlich eintreten
- F41.1 generalisierende Angststörung: anhaltende Angst aller möglichen Inhalte, häufig zusammen mit vielerlei wechselnden körperlichen Beschwerden
-F42 Zwangsstörung: Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun, obwohl diese meist als unsinnig erkannt werden sowie extreme Angst, wenn diesem Drang nicht nachgekommen wird (z.B. Waschzwang)
- F43.0 emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters: Angst vor der Trennung von wichtigen Bezugspersonen, beginnt meist in der Kleinkindzeit, klingt meist vor der Pubertät ab, kann aber in andere Störungen übergehen
- F43.1 posttraumatische Belastungsstörung: Starke Reaktion Wochen oder Monate nach selbst erlebten oder beobachteten, als extrem bedrohlich erlebten Situationen, Intrusion, emotionale Taubheit, Übererregung
- F43.2 Anpassungsstörung: starke Beeinträchtigung relativ unmittelbar nach einer entscheidenden Lebensveränderung; je nach Ausprägung hauptsächlich Angst, Depression, gestörtes Sozialverhalten oder einer Mischung aus diesen Komponenten.
Statistik- Etwa 13% aller Erwachsenen sind von einer Angststörung betroffen, Jugendliche wahrscheinlich häufiger.
- Nur ca. 1/3 der betroffenen lassen sich deswegen therapeutisch oder psychiatrisch behandeln.
- Je früher die Behandlung beginnt, desto größer die Erfolgschance.
- Rund 1,3 Millionen Kinder werden in Deutschland regelmäßig körperlich misshandelt.
- Mehr als die Hälfte der Eltern in Deutschland bestraft die Kinder durch Ohrfeigen oder schwere Strafen.
- Viele Angststörungen beginnen in der Kindheit oder Jugend. Meist dauert es Jahre, bis die Störung diagnostiziert wird.
- Über 10% aller Jugendlichen haben deutlich Einschränkungen im Alltag.
- PTBS tritt ein bei circa 50% der sexuellen Übergriffe, 25% der Gewaltverbrechen, 20% der Opfer von Krieg, Gefangenschaften oder 15% der schweren Erkrankung (z.B. Krebs),
- PTBS tritt bei Mädchen deutlich häufiger auf als bei Jungen, wahrscheinlich weil Mädchen häufiger Opfer sexueller Gewalt werden.
- Unbehandelt verstärken sich die meisten Angststörungen mit der Zeit.
- Panikstörungen beginnen meist vor der Pubertät.
- 100000 Kinder werden in Deutschland psychisch vernachlässigt.
- Zwang beginnt bei Jungen meist früher als bei Mädchen.
- Jugendliche mit Angststörungen haben überdurchschnittlich viele Arztkontakte wegen körperlichen Beschwerden.
- Meist reicht eine ambulante Behandlung der Angststörung.
Ursachen und RisikofaktorenÜber die letztendlichen Ursachen der jeweiligen Angststörung wird spekuliert. Die Aufstellung gibt an, welche Risikofaktoren aktuell angenommen werden.
Biografische Entwicklung
- Frühe Stresserfahrung
- Wiederholte negative Lebensereignisse
- Lebenskrise
- Traumatisierung
Familiendynamik
- Überbeschützendes Erziehungsverhalten
- Selbstständigkeitsbestrebungen wurden von engen Beziehungspersonen verhindert
- Verstärkung von ängstlichem Verhalten
- Überängstliche Eltern
- Rigide Erziehungsmethoden
- Körperliche Bestrafung
- Abwertendes Verhalten der Eltern
- Fehlende, zu starke oder zu schwache Bindung an die Eltern
Selbst
- Geringes Selbstwertgefühl
- Eine passive Grundhaltung
Individuelle Vorrausetzung
- Eingeschränkte soziale Kompetenz
- Eingeschränkte Fähigkeiten zur Stressbewältigung
- Eingeschränkte Sozialkompetenz
- Besonders starke und rigide ausgeprägte Gewissensbildung
- Hirnschäden, hirnorganische Veränderungen
Gesundheit
- Gestörter Gehirnstoffwechsel, vor allem hinsichtlich Serotonin und Dopamin
- Genetischer Aspekt
(Vor-) schulischer Kontext
- Mobbing
- (Androhung von) Gewalt durch Mitschüler
- Leistungsversagen / Bloßstellung
Peerbeziehung
- (Androhung von) Gewalt
- Mobbing
Komorbidität (je nach Quelle) - 50% – 90% haben weitere Angststörungen
- 20% - 40% haben eine Depression
- 20% - 40% haben eine Suchterkrankung
- 20% - 60% haben eine Persönlichkeitsstörung
- 20% - 30% haben eine Essstörung/ Störung des Sozialverhaltens, hyperkinetisches Syndrom
SymptomeFolgende Symptome werden beschrieben:
- Angstgefühl
- Panik
- Angst vor der Angst
- Angst, die Kontrolle zu verlieren
- Schlafstörungen
- Albträume
- Vermeiden von Situationen und Reizen, die angstbesetzt sind
- Verhaltensweisen, die von den Betroffenen nicht erklärt werden können oder wollen
- Scham und Minderwertigkeitsgefühle, weil man sich ängstigt
- Erhöhtes Bedürfnis nach körperlicher Nähe oder Vermeidung derselben
- Erhöhtes Zuwendungsbedürfnis
- Depersonalisation, Derealisation
- Atemnot, Erstickungsgefühl, Hyperventilation, Herzrasen
- Beklemmungsgefühl in Brust oder Brustschmerz
- Bauchschmerzen, Übelkeit und andere körperlichen Beschwerden
- Kreislaufbeschwerden
- Schwindel
- Körperliche Unruhe
- Muskelzittern, Muskelverspannung
- Hitze und Kältegefühl
- Körper Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheit
- Mundtrockenheit
- Akute und chronische Schmerzen
- Schwitzen
Intervention allgemeinSicherheit vermitteln:
- Positive Beziehung zu Erwachsenen
- Klarer Rahmen, klare Regel, klare Konsequenzen
- Rahmen für Freiraum, Spaß, Lebensfreude und die Erprobung eigener Möglichkeiten
- Rückzugsraum sichern
- Situation nicht dramatisieren
- Modell dafür sein, wie man eigene Ängste und Unsicherheiten angemessen überwindet
- Deutlich mehr positive Verstärkung als negative Konsequenzen
- Zuverlässiger Freundeskreis: Evtl. helfen einen solchen aufzubauen und zu halten.
Sich der Angst stellen:
- Jugendliche sollten die Möglichkeit erhalten sich den Reizen zu stellen, die sie vermieden haben.
- Die Jugendliche sollten davor in die Lage versetzt werden diese Situationen durch zu stehen. Gelingt das Durchstehen nicht, droht die Gefahr, dass sich ihre Symptomatik dadurch verstärkt
- Erlernen von Entspannungstechniken, da Ängste mit Entspannung nicht vereinbar sind
- Schaffen von Erfolgserlebnissen
- Stärkung des Selbstwerts und Selbstwirksamkeit
- Verbesserung der sozialen und kommunikativen Kompetenzen
- Verbesserung der Körperwahrnehmung
- Informationen über die Entstehung von Ängsten (Angst → Vermeidung → Verstärkung der Angst)
- Kognitive Umstrukturierung (Positiv Denken)
- Selbstbeobachtungsbögen (Wann, Wie habe ich Angst?)
Umgang mit psychosomatischen Störungen
- Psychosomatische Beschwerden als Beschwerde ernst nehmen
- Zudem hilft es den körperlichen Beschwerden entsprechend Unterstützung an zu bieten (z.B. Geborgenheit bieten etc.)
- Beschwerden als Angstsymptom benennen
- Ursachen auf den Grund gehen
Psychotherapie:
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Stationäre Therapie wenn ungünstige Situationen im Wohnumfeld gegeben sind und ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, Suizidalität, ausgeprägte Fremd- oder Autoaggression beobachtbar ist
Medikation:
- Psychopharmaka bei Zwängen oder Panikattacken (eine Therapie ist immer angezeigt)
Eltern– und Familienarbeit:
- Anleiten, wie dem Kind Sicherheit vermitteln werden kann
- Anleiten, dass Vermeidungsverhalten nicht gefördert wird
- Anleiten, die Kinder aufzufordern nicht über die Angst hinweg zu sehen.
- Zu verstehen, dass die Angst nicht nur mit Willenskraft bewältigt werden kann.
- Begleiten beim Verstehen der Dynamiken und der Hintergründe

Literatur

Baierl, M. (2017). Herausforderung Alltag – Praxishandbuch für pädagogische Arbeit mit psychisch gestörte Jugendlichen; Vandenhoek & Ruprecht.

Beerbom, C.; Universität Potsdam, Netzwerk Schule und Krankheit; Bundesverband Aphasie e. V. (Aphasie) (2010). Handreichung Schülerinnen und Schüler mit chronischen Erkrankungen. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM).


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Layout und Gestaltung: Christian Albrecht, Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg