Im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit stehen junge Menschen, die durch ihr Verhalten auf innere und äußere Notlagen verweisen. Ziel individueller Bildungs- und Erziehungsangebote ist es, diese Not mit Hilfe von neuen, korrigierenden Erfahrungen (Gegenerfahrungen), veränderten Zugängen zur Welt und somit auch zu sich aufzuzeigen (vgl. Bleher/ Hoanzl 2018).
Ausgangspunkt für die Planung und Gestaltung der individuellen Bildungs- und Erziehungsangebote sind die aus der/den Erklär-Hypothese/n abgeleiteten spezifischen Ziele. Stringent zu diesen werden Bildungs- und Erziehungsangebote kooperativ mit allen am Bildungsprozess beteiligten Personen entwickelt. Diese individuellen Angebote sollen dem jungen Menschen Beziehungs-, Erziehungs- und Lernerfahrungen ermöglichen, so dass innere und äußere Entwicklungsprozesse in Bezug auf das emotionale Erleben und soziale Handeln angestoßen werden. Als grundsätzliche Eckpfeiler der Bildungs- und Erziehungsangebote sind Reflexivität, Respekt, Einfühlung und Wertschätzung zu sehen. Die Ausrichtung richtet sich nach der Emotionsregulations-, Beziehungs-, Arbeits-, Lern-, Teilhabe, Konflikt- und Gruppenfähigkeit der jungen Menschen und ihres Umfeldes aus.
Der Planung und Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsangebote liegt eine breite präventive Haltung zu Grunde. Dieser präventive Gedanke spiegelt sich auf fünf Ebenen wider:
in den bewusst gestalteten direkten pädagogischen Interaktionen zwischen den Lehrkräften, der Institution und dem jungen Menschen bzw. einer Gruppe
sowie gezielt verwendeten Themen und didaktische Methoden, die im Unterricht eingesetzt werden
im Rahmen ausgewählter (Trainings-) Programme
im Rahmen professioneller Reflexion (Supervision, Einzelfallanalysen, Hospitation, etc. für die Lehrkräfte) (Feed-Backs, Reflexionsgespräche etc. für die Schüler:innen)
in strukturellen, organisationalen und rechtlichen Rahmenbedingungen z.B. von Leitung und Verwaltung.
Auf allen fünf Ebenen können sowohl kurz- als auch langfristige Ziele in den Blick genommen werden.
Die Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsangebote muss, der Komplexität der Bedingungshintergründe des gezeigten Verhaltens entsprechen. Bei einer ganzheitlichen Planung der Bildungs- und Erziehungsangebote sind folgende drei Fragen zu berücksichtigen:
Was kann analog zu den Erklärhypothesen ursächlich getan werden, damit der junge Mensch das Verhalten zunehmend weniger zeigt und er sich psychosozial stabilisiert?
Was kann situativ-konkret (deeskalierend und entwicklungsförderlich) getan werden, wenn der junge Mensch problematisches Verhalten zeigt bzw. psychosozial instabil ist?
Hierbei ist es von großer Wichtigkeit reflexiv zu prüfen, ob das Lehrerhandeln durch Anteile von Scham/Beschämung, Gegenaggression, Rache oder vorschnelle Zuschreibungen geleitet wird. Eine von diesen Anteilen geleitete Reaktion, welche nicht als solche erkannt und bearbeitet wird, steht dem übergeordneten Ziel, entwicklungsförderliche Gegenerfahrungen zu schaffen, konträr gegenüber.
Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Wahrnehmung und/oder Kognition des jungen Menschen es ihm/ihr ermöglicht, die Situation zu verstehen.
Was kann getan werden, damit nachhaltige Entwicklung und Stabilisierung stattfindet?
Gingelmaier, Kopp, Gitschier